von Tassia Weimann
Mit großen Augen stand ich zwischen den vielen Beinen am Markplatz und hörte der Marschmusik zu. Die Spielmannszüge marschierten an mir vorbei. Voller Faszination schaute ich mit meinen fünf Jahren zu meiner Mutter hoch und fragte sie, wann ich denn endlich im Spielmannszug spielen dürfe. Sie vertröste mich noch ein paar Jahre bis ich mit elf Jahren endlich meine Querflöte in den Händen hielt. Freischießen gehörte seitdem immer zu den Highlights im Jahr – etwas auf das man sich das ganze Jahr vorbereitet und mit Spannung erwartete. Und so führte ich die kleine Familientradition weiter. Doch fünf Jahre später trat ich aus, war mitten in der Pubertät und andere Sachen wurden wichtiger. Seitdem meide ich das Freischießen, fahre lieber in den Urlaub oder schiebe die Klausurenphase vor. Es ist nicht eben nicht mehr dasselbe. Ich bin kein Teil mehr des Ganzen, kein Teil der Tradition und kein Teil eines Vereines. Wenn ich jetzt die Marschmusik höre, klingt immer ein wenig Wehmut mit und manchmal auch ein wenig Sehnsucht. Ich stehe auf der falschen Seite der Straße. In meiner Studentenstadt gibt es zwar das ein oder andere Stück, was ich kenne, aber nur zur Faschingszeit. Aber das Freischießen ohne all die alten Traditionen ist für mich nicht vollkommen. Für die Festzelte ohne Eintrittspreise fühle ich mich zu alt und in den Vereinszelten würde ich mich unbehaglich fühlen. Also gehe ich lieber nicht hin, behalte die schönen Erinnerungen an eine schöne Zeit und summe die Märsche mit, wenn sie mir doch irgendwo über den Weg laufen.von Elina Göhrmann
In meinen alten Kalendern wurde jedes Jahr das erste Juliwochenende mehrmals rot eingekreist. Mal mit tausend Smileys versehen, mal mit Herzen, mal mit einem genauen Plan, wann ich mit wem zum Freischießen gehen werde. Während ich in Peine zur Schule ging war diese sogenannte fünfte Jahreszeit schon Wochen vorher immer felsenfest mit eingeplant. Jetzt blicke ich bei einem Besuch in die Zeitung und bemerke, dass diese Freude abgenommen hat. Jahr für Jahr ist sie kleiner geworden. Im ersten Jahr, weit weg von Peine, war es noch schade, dass genau zu dieser Zeit Prüfungen angesetzt waren, im zweiten habe ich nicht mehr krampfhaft versucht, dieses Wochenende frei zu bekommen und nun im dritten Jahr habe ich es sogar glatt vergessen. Das Freischießen wurde abgelöst. Abgelöst durch die Feste in der Stadt, in der ich jetzt studiere. Es ist fast so, als würde es einfach zu einem anderen Lebensabschnitt dazugehören und irgendwie ist das auch gar nicht schlimm. Denn anstatt mir darüber den Kopf zu zerbrechen oder zu versuchen, diese Freude wieder zurückzuholen, genieße ich stattdessen die zahlreichen fantastischen Erinnerungen, die es mir in meiner Zeit in Peine eingebracht hat. Und das kann ich zu jeder Zeit und nicht nur am ersten Juliwochenende.von Yasemin Rittgerott
1992: Meine Mutter muss wohl so im vierten Monat mit mir
schwanger gewesen sein; der erste Ausflug zum Freischießen war für mich also
schon sehr früh.
1996: Ich durfte ganz lange aufbleiben und von Papas Schultern aus das erste Mal das Feuerwerk bestaunen.
1996: Ich durfte ganz lange aufbleiben und von Papas Schultern aus das erste Mal das Feuerwerk bestaunen.
1997: Jedes Jahr ziehen Spielmannszüge und Kooperationen
durch Peines Straßen – ein riesen Spektakel. Mein Opa war Mitglied in der
Schützengilde, ich stand in der Menge und habe ganz aufgeregt am Straßenrand
darauf gewartet, dass er an uns vorbeikommt, ich zu ihm laufen und ihm, wie es
Tradition ist, meine Rose geben konnte.
1999-2006: Freischießen war jedes Jahr aufregend. Etwas
schüchtern, was Fahrgeschäfte angeht, haben meine Schwester und ich uns nur vom
typischen Kinderkarussell mit Feuerwehrauto und Pferdekutsche zur Berg und Tal
Bahn gesteigert. In unseren jüngeren Jahren waren aber vor allem Zuckerwatte
und große mit Helium gefüllte Luftballons unsere Highlights. Ich erinnere mich
noch zu gut an einen Papagei, der tagelang an meiner Zimmerdecke schwebte,
bevor er sich mehr und mehr Richtung Boden verabschiedete, nur mir viel der
Abschied auch dann noch sehr schwer.
2007: Zwar war ich auch schon früher mit Freuden auf dem
Schützenplatz allein herumgelaufen, aber mit 14 durfte ich zum ersten Mal ganz
alleine los, ohne mich zwischendurch bei meinen Eltern am Börsenzelt melden zu
müssen. Dabei wurde mir dann auch zum ersten Mal eine Rose geschossen.
2009: Meine erste durchgemachte und damit längste Nacht,
durchgetanzt auf dem Niedersachsenzelt. Auf dem Heimweg ging langsam die Sonne
auf und ich war mir nicht sicher, ob es eine gute Idee war, im Hinblick auf
die, in ein paar Stunden anstehende, Reise auf einem Kreuzfahrtschiff.
2011: Mit dem Glück sehr nah am Schützenplatz zu wohnen und
den Eltern im Urlaub, wurde mein zu Hause am Freitag zur Anlaufstelle für viele
Freunde, um dann gemeinsam in die Nacht zu starten.
2013: Das erste Freischießen in langer Zeit, das ich
aufgrund eines Auslandsaufenthaltes nicht besuchen konnte.
2014: Zwei Jahre sind seit dem Abitur vergangen, aber hier
ist immer noch alles, wie immer. Wir sind vielleicht älter geworden und
springen nicht mehr völlig außer Rand und Band über die Tanzfläche, aber kaum
betritt man den Festplatz, erspäht man im Gemenge tausend bekannte Gesichter.
2016: Gerade bin ich wieder aus dem Ausland zurück und weiß
schon genau, wo ich dieses Wochenende meine Freunde treffen werde.
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