Mittwoch, 26. Juli 2017

Printseite Juli 2017 / Tellerand


von Elina Göhrmann

Vorsichtig lehne ich mich ein Stück vor. Meine Hände liegen an der Wand hinter mir, meine Augen sind fest zugekniffen. „Du hast festen Boden unter den Füßen“, denke ich. „Stell dich nicht so an.“ Ich blinzle und sehe zuerst nur meine Wimpern. Und danach das Geländer. Ich muss noch ein Stückchen weiter vor. Nur noch ein kleines Stück. Ich strecke mich, sodass nur noch meine Fingerspitzen die Wand berühren. Mein Blick liegt auf dem Horizont: Ist dieses Panorama vom Leuchtturm nicht schön genug? Aber die Klippen mit den heranrauschenden Wellen sollen ein fantastischer Anblick sein. Vorsichtig wandern meine Augen nach unten und ich sehe Wasser. Aber immer noch keine Klippen. Meine Finger beben und ich lehne mich wieder gegen die Wand. Ich muss sie loslassen und an das Geländer treten, um die Aussicht auf die Klippen bewundern zu können. „Los geht’s“, spreche ich mir Mut zu. „30 Sekunden werden dir nicht schaden. Du stehst sicher.“ Ich schlucke und mache den Schritt nach vorne. Jetzt muss ich nur noch meinen Blick senken. Langsam schüttle ich den Kopf. Nein. Nein, das kann ich einfach nicht. Die Aussicht kann niemals so schön sein, dass ich dafür meine zitternden Lippen und den Knoten in meinem Magen vergesse. Heute Nacht werde ich nur von dem Panorama träumen und nicht von meiner Angst. Ich wende mich ab und gehe.

von Hannah Springer

Noch ein Stückchen und noch ein Stückchen. Es war nicht mehr weit, bald würde sie es geschafft haben. Der Untergrund machte es ihr nicht leichter. Es war glatt und viel zu hell. So etwas hatte sie vorher noch nie gesehen. Noch ein Stückchen und noch ein Stückchen. Es war anstrengend, eigentlich viel zu anstrengend für ihren nach Nahrung schreienden Körper. Warum bloß war ihr das passiert? Hätte sie doch besser aufgepasst. Noch ein Stückchen und noch ein Stückchen. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, dass sie auf dem Zweig ihres Lieblingsbaumes gesessen und sich gesonnt hatte. Sie war unvorsichtig geworden, hatte sich kopfüber gedreht. Dann ein Ruck. Sie verlor den Halt. Fall, Aufschlag, Bewusstlosigkeit. Noch ein Stückchen und noch ein Stückchen. Jetzt waren es nur noch wenige Schritte. Sie nahm nochmal alle ihre Kräfte zusammen und stürzte nach vorne. Geschafft. Die Farben hauten sie fast um. Kräftiges Grün, strahlendes Rot und Orange und noch viel mehr. Sie war erschöpft, aber auch so unglaublich glücklich. Endlich hatte die kleine Ameise den Tellerrand erklommen.

von Tassia Weimann

Lass mich über deinen Tellerrand blicken.
Der, der zu dir weist.
Du hast so viel vor dir aufgeschichtet, dass ich dich kaum erkennen kann.
Komm, ich kau für dich die zähen Stücke mit.
Manchmal ist es leichter zu zweit.

von Jonas Gadomska

„Mist! Nicht das schon wieder!”, ärgere ich mich und versuche meine Fahrradkette mehr oder weniger fachmännisch einzuspannen. 10 Minuten bis Unterrichtsbeginn. „Ich bin ja schon wieder mitten in der Pampa gelandet.” Schon wieder! Schon wieder? Die Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch das grüne Blätterdach des Waldes. War ich hier wirklich schon mal? Alles sieht so anders aus, hier auf dem Boden. Hatte ich das die letzten Wochen beim Radfahren gar nicht mitgekriegt? Das Vogelgezwitscher war mir bisher gar nicht aufgefallen - wahrscheinlich wegen der lauten Musik meiner Kopfhörer. Ich schaue auf meine Uhr. „In 7 Minuten schaffe ich es bestimmt nicht zur Schule!”, gestehe ich mir ein und gehe in den Wald. Endlich mal etwas Neues wagen ist immerhin besser, als sich von allem geißeln zu lassen.

von Lara Konrad

Knapp 16.000 Kilometer ist mein Blick über den Tellerrand entfernt. Die halbe Welt bin ich dann von allem Vertrauten entfernt, von meiner Familie, meiner Liebe, meinen Freunden. Ich weiß nicht, was mich dort hinter meinem Tellerrand erwarten wird oder ob dort überhaupt etwas Anderes liegt als hier. Vielleicht wird mir dort aber auch erst bewusst, was so etwas - ein Tellerrand - überhaupt ist, und was es bedeutet, über diesen zu schauen. Lassen sich dort Antworten finden auf Fragen, die ich noch nicht einmal zu stellen weiß? Werden sich meine Wünsche und Vorstellungen bewahrheiten? Wird es mir schwer oder leicht fallen? ... Lohnt es sich überhaupt, mein bisheriges Leben auf diese Weise zu hinterfragen, oder ist gerade der Sprung über diesen und den Mut, den dieser braucht, das, was den Tellerrand ausmacht?
Eins weiß ich aber im Moment mit Sicherheit: Sich ausschließlich innerhalb seines eigenen kleinen Tellers zu bewegen mag das Einfachste der Welt sein. Es ist aber auch das Fatalste. Denn wie kann man sich selbst und andere begreifen, wenn man seinen eigenen Teller niemals von außen aus einer anderen Perspektive betrachtet, niemals den Mut aufbringt, den entscheidenden Blick und den Sprung aus diesem zu wagen? Vielleicht überhaupt nicht.
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Mittwoch, 12. Juli 2017

Juli 2017 / Sound

von Yasemin Rittgerott


Bands, die ich viel zu spät entdeckt habe

Frank Turner – Plain Sailing Weather
Frank Turner ist Dauergast auf dem Hurricane Festival. Einige Male habe ich seinen Namen auf dem Line Up gesehen – und ignoriert. Ein großer Fehler. Erst in meinem Auslandsjahr kam ich in den Genuss seiner Musik. Eines Abends spielte ein Bekannter beim gemütlichen Beisammensein seine Musik und auf meine Frage, wer das sei, musste ich feststellen, dass mir der Name sogar etwas sagte. Jetzt habe ich einige seiner Lieder in meinen Playlisten und freue mich schon auf das nächste Hurricane, auf dem ich ihm dann hoffentlich auch live begegnen werde.

Future Islands – Through the roses
Ebenfalls in meinem Auslandsjahr bat ich eine Freundin, mir ein paar Bands zu empfehlen. Das tat sie, unter anderem auch Future Islands. Angehört habe ich mir ihre Empfehlungen jedoch nie. Einen Tag in diesem Frühjahr hörte ich meinen Mix der Woche bei Spotify und war begeistert von diesem einen Song und musste feststellen, dass ich den Namen der Band sogar kannte. Seitdem sind Future Islands meine neue go-to Band, wenn ich nicht weiß, was ich sonst hören soll.

Bastille – Warmth
2013 hatte ich ein Ticket für das Isle of Wight Festival in England. Dort traten auch Bastille auf. Im Zuge dessen kaufte ich mir ihr Album Bad Blood und war sofort verliebt. Jedoch hatte Tassia schon im Februar 2011 ein Video für die Indianer Facebook Seite gedreht, in dem ein Cover von Bastilles „Flaws“ im Hintergrund zu hören war. Und auch im Sommer zuvor war ich auf einem Festival, auf dem sie auch auftraten. Aber nun gut, jetzt kenne ich sie und bin mehr als glücklich darüber!

Unsere Sound-Playlist findet ihr bei spotify unter: Wortfluss Sound
 
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