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Foto von Lea Hoppenworth |
von David Koch
Was hab ich mir nur dabei gedacht? Kein Wunder, dass mich
der DJ schon so schräg angesehen hat, als ich den Track ausgewählt habe.
Coldplay auf einer Halloween-Party? Und dann auch noch „das alte Coldplay“ mit
Emotionen und so? Ist das noch Kontrastprogramm oder schon ein Fauxpas? Dumm
ist das, einfach nur dumm. Aber gut, jetzt steh ich hier oben, die Meute da
unten will gefüttert werden. Sollen sie es doch bekommen, das steht ihnen zu.
Karaoke wurde sowieso von Sadisten erfunden. Und die bezahl ich jetzt, indem
ich mich der Peinlichkeit preisgebe. Aber ich wollte das. Erinner’ dich, bleib dir treu. Du wolltest
das, eben weil du dich nicht verstellen möchtest, weil es ehrlich ist. Ihr
wollt was gruseliges, Schockeffekt? Was gibt es schlimmeres als Ehrlichkeit?
Nicht die Lüge verletzt, sondern die Wahrheit dahinter. Und hier verletzt sich
gerade jemand selbst. Also schaut alle mal hier hoch. „Look at the stars, how
they shine for you...“
von Maike Rönnefahrt
Trotz der Kälte, die für Mitte Juni sehr ungewöhnlich war,
fror Klara nicht, Sie war den ganzen Weg von der U-Bahn-Station zum Stadtpark
gerannnt und dennoch kam sie, wie jetzt feststellen musste, zu spät. Das
Konzert hatte bereits begonnen. Die Jungs spielten gerade das Intro zu „Rode My
Love“. Das tiefe Brummen des Basses jagte ihr einen Schauer über den Rücken,
als sie daran dachte, zu was die Finger, die ihn spielten noch fähig waren. Es
war noch keine vierundzwanzig Stunden her, dass sie mit... Nein, daran durfte sie jetzt nicht denken.
Eher sollte sie schnellstens einen Weg finden näher an den Bühnenrand zu
kommen. Sie musste mit Tim sprechen. Sie ließ den Blick über die Menge
schweifen, als Tim die ersten Zeilen des Songs sang. In seiner tiefen Stimme
schwang so viel Gefühl mit, dass Klara kein Zweifel blieb, an wen er gerade
dachte. Und genau wegen dieser Person suchte sie nach einer Möglichkeit zu ihm
vorzudringen.
„Pass doch auf!“, raunzte sie der Typ an, an dem sie sich
gerade vorbeigeschoben hatte. Klara ignorierte ihn und drängelte sich einfach
weiter durch die Menge. Was blieb ihr auch anderes übrig?
Immerhin war sie nun so weit vorgedrungen, dass sie Tims
Kopf und die Hand in der er das Mirko hielt, sehen konnte. Die Bühne war in ein
rosa Licht getaucht, der Name der Band zierte die blaue Rückwand. Der nächste
Song ging direkt in den vorigen über. Es war „yellow“, ihr Lieblingslied. An
der rechten Bühnenseite wurden die Lyrics wie beim Playback-Singen angezeigt,
aber Klara brauchte dort nicht hinschauen. Sie kannte jede Zeile auswendig. Sie
riss beide Arme nach oben und brüllte Tims Namen, aber in der Menge, aus der
viele weibliche Fans zu ihm hochschrien, stach sie nicht hervor. Sie musste
weiter vor. Leise Entschuldigungen murmelnd, drängte sie sich an weiteren
tanzenden Körpern vorbei, wich Ellenbogen aus und hatte es gegen Ende des
dritten Liedes tatsächlich bis an den Bühnenrand geschafft. Ihre Arme wie wild
durch die Luft schwingend versuchte sie die Aufmerksamkeit der Bandmitglieder
auf sich zu ziehen. Die Mädchen neben ihr verdrehten genervt die Augen und
hätten sie vermutlich am Liebsten zurück in die Menge geschubst. Das war ihr
aber egal, denn endlich fiel Johns Blick auf sie. Ohne sich auch nur um einen
Takt zu verspielen, runzelte er die Stirn und formte mit seinen Lippen wortlos
ihren Namen. Sie zeigte auf Tim und rief über die Musik hinweg: „Ich muss mit
ihm sprechen!“
Als der Song endgültig zu Ende war, ging John sehr darauf
bedacht nicht über die Kabel der Instrumente zu stolpern zu Tim. „Wir haben
Besuch.“ Er nickte zu ihr. Tim grinste: „Du meinst, du hast Besuch.“
Klara schüttelte wie wild mit dem Kopf und zeigte auf Tim.
Dieser hob fragend die Augenbrauen, kam dann aber zu ihr. Aufgeregt richtete
sie ihm die Nachricht ihrer Freundin aus. Ab jetzt lag es an ihm und sie
hoffte, dass er die richtige Entscheidung traf.
von Yasemin Rittgerott
Karaoke ist eigentlich überhaupt nicht mein Ding. Meine
Freundinnen dachten aber, das wäre eine gute Idee für einen lustigen
Freitagabend und haben mich mitgeschleppt. Jetzt stehe ich in diesem dunklen
Schuppen an der Bar und verdrehe die Augen über die Gruppe betrunkener
Junggesellen, die Hölle von Wolfgang Petry ins Mikro grölen. Dann wird es kurz
still, während auf der Bühne ein Wechsel stattfindet. Ich bestelle mir noch ein
Bier. Währenddessen beginnen die ersten Töne von Coldplay’s Yellow und ich
verdrehe wieder die Augen. Im Gegenteil zu den Meisten bin ich kein großer
Fan...
Doch dann setzt seine Stimme ein; ganz sanft beginnt sie den
ganzen Raum auszufüllen. Die Gespräche um mich verstummen und die Köpfe wenden
sich zur Bühne – auch meiner. Dort steht er, mit wuscheligen Haaren, halb vom
Publikum abgewandt und schaut mit halb geschlossenen Augen auf den Boden. Ich
bin wie versteinert und starre einfach nur sein Profil an, während seine warme
Stimme meine Ohren flutet und mir unter die Haut kriecht. Vielleicht war dieser
Karaoke Abend doch keine so schlechte Idee.
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