Mittwoch, 15. Oktober 2014

Printausgabe Oktober 2014 / Ja sagen

Für diese Seite haben die Autoren eine Art Antwort auf einen Text von Yasemin verfasst.

von Yasemin Rittgerott

Unendlich weit ist der Ozean. Unendlich weit ist es bis zum Horizont. Unendlich weit ist es bis zum Ende der Galaxie und unendlich weit ist es bis zum Grunde meines Herzens.
Immer, wenn man etwas besonders intensiv fühlt. Sei es Liebe, Hass, Enttäuschung oder was auch immer. Man fragt sich jedes Mal: “Geht es noch stärker?” “Wird irgendwann etwas passieren, jemand in unser Leben treten, der uns noch mehr fühlen lässt?” Und irgendwann kommt der Moment, in dem wir diese Frage mit “Ja!” beantworten können.
Erst zum Abitur konnte ich mir nicht vorstellen, jemals wieder mehr aufgeregt zu sein. Doch dann kam das Auslandsjahr mit all den Abschieden, die man durchleben musste und der riesigen Neugierde auf das, was einen im neuen zu Hause auf Zeit erwarten würde. Und jetzt stehe ich kurz davor ins Studentenleben einzutauchen und mit all meinen sieben Sachen ganz und gar ein neues zu Hause zu finden. Es geht immer weiter und es geht immer noch mehr.
Bei dir ist es doch sicher auch nicht lange her, dass du das letzte Mal „Ja!“ gesagt hast, oder?

von Jonas Gadomska

Sie starrte auf den Boden. Nicht auf eine nachdenkliche Weise, eher auf eine Art, die sie selber nicht erklären konnte. Irgendwas zog sie runter, mit einer so enormen Kraft, dass sie überlegte sich fallen zu lassen. Auf den Boden? Oder war es doch eher eine Schlucht durch die sich, seit ihrem ersten Mal, ein großer Fluss der Unvollkommenheit langsam aber kontinuierlich grub? Es war für sie immer eine Art Glücksgefühl gewesen, ein Moment vollkommender Zufriedenheit. Doch als sie anfing zu zittern, spürte sie die Schattenseite. Sie fühlte die Kälte, die wie Nebelschwaden aus der Schlucht emporstieg, um den Ort in einen geheimnisvollen Dampf zu hüllen. Als hätte sich die Dunkelheit eine Nebelmaschine gekauft, oder den Gefrierschrank offengelassen, um ihr ihre Mach zu demonstrieren. Es war für sie nie leicht gewesen ja zusagen, deshalb beschloss sie es schon im Kindergarten. Bald wurde es zu einer Sucht, als würde sie permanent an dem Joint der Verneinung ziehen. Die roten Augen störten sie nicht, ebenso wenig wie die Einsamkeit. Sie würde die Dunkelheit eben zu ihrer Freundin machen müssen und mit ihr und der Einsamkeit gemeinsame Mädchenabende verbringen, wegen denen sie von ihren Mitschülerinnen immer gemobbt wird. Aber das stört sie nicht mehr. Sie ist ja nicht allein.

von Elina Göhrmann

„Geht es noch stärker?“ Diese Frage geisterte schon mindestens hundert Mal durch meinen Kopf – bei Liebe, bei Enttäuschung, bei Wut, bei eigentlich allen Gefühlen, die ich bisher erlebt habe. Jedermann kann sich vorstellen, dass es viele Gefühle sind. Doch mit Ja habe ich diese Frage nie beantwortet.
Wenn ich im Nachhinein auf meine Vergangenheit schaue, dann kann ich natürlich sagen, wann ich vielleicht aufgeregter war oder enttäuschter, doch in dem Moment, in dem ich mir die Frage stelle, gibt es für mich keine Antwort darauf. Denn jedes Gefühl hat seine feinen Nuancen, sodass es für mich nicht nur eine Wut gibt, sondern tausende. Wenn ich gefragt werden würde „Liebst du deinen Bruder genauso sehr wie deine Eltern?“ müsste ich mit Nein antworten, weil die Liebe jedes Mal anders wäre. Aber immer stark. Ist Liebe nicht immer stark?
Für mich gibt es kein gleichstark, kein weniger und kein mehr, wenn es um Gefühle geht. Vielleicht bin ich auch einfach ein Mensch bei dem es keine leichten Gefühle gibt, sondern nur aufgebauschte, mitreißende, große. Aber vielleicht lasse ich mich auch nur in diesem einen Moment so sehr auf das derzeitige Gefühl ein, dass es zwar zum Stellen der Frage kommt, aber nie zu einer gegebenen Antwort.
Weil es für mich in der Situation unvorstellbar ist, dass es ein größeres und stärkeres Gefühl geben kann, als ich gerade empfinde.

von Tassia Weimann

no words left.
Ja? Ja zu neuen Aufgaben. Zu Stresssituationen. Zu neuen Lebensabschnitten.
Ich dachte immer, umso älter man wird und umso mehr man Neues gemeistert hat, desto ruhiger wird man. Und doch schlägt mein Herz jedes Mal wie wild. Und immer noch wilder, habe ich das Gefühl.
Gefühle übertreffen sich. Überschlagen sich. Sie fassen sich an die Füße und machen diese lustigen Rollen zu zweit, die ich im wahren Leben nie hinbekomme habe. Zu viel Angst. Aber meine Gefühle nehmen nicht allzu viel Rücksicht auf die Angst. Die Angst bleibt immer ein wenig zurück, wenn das Adrenalin durch mich gepumpt wird. Und Freude und Neugierde machen, wie gesagt, ein wenig Purzelbaum. Sie stehlen der Angst die Show.
Das Schlimme ist, umso öfter du dachtest, dass es nicht mehr besser sein kann, desto weniger Worte findest du, wenn es dann doch passiert.
Ich habe mich dabei ertappt, wie ich immer die gleichen schnulzigen Worte benutzt habe. Bei jedem Mal mit noch mehr Nachdruck. Mit noch mehr Gewalt endlich bessere Worte zu finden. Weil es jedes Mal aus tiefsten Herzen kam. Nichts war einfach daher gesagt. Doch, ist das eine vorbei, merkt man, dass es halt doch nicht das Wahre war. Und dann taucht der nächste Typ auf und die Messlatte liegt tausend Meter höher.
Ich habe eindeutig die Messlatte zu hoch gesetzt. Ich komm nicht mehr dran.

Was macht man als Mensch, der versucht alles in Worte zu fassen, wenn keine Worte mehr übrig sind? Man lernt das Schweigen. Und man versucht mit aller Kraft das Leben des Anderen zu bereichern. Einfach mit der bloßen Existenz. Oder den besten Waffeln der Welt.


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