von Yasemin Rittgerott
Was ist Postcrossing?
Paulo Magalhães aus Portugal bekam schon immer gerne Post –
vor allem Postkarten. Ob von Freunden, Familie oder irgendwo aus der Welt, das
ist egal, je zufälliger der Ort und die Person, desto besser. Er kannte noch
einige Leute, denen es genauso ging, und so entstand die Grundidee von einer
Internetplattform, die sein Offline-Hobby unterstützen konnte.
In seiner Freizeit fing Paulo dann an, an der Website zu
basteln und Freunde halfen sie zu testen. Und nach ein wenig Unentschlossenheit
über den Namen, war das Postcrossing Projekt am 14. Juli 2005 für jederman
zugänglich.
Sein Ziel: Menschen auf der ganzen Welt durch Postkarten
verbinden, unabhängig von ihrem Ort, Alter, Geschlecht oder Glauben. Und das
für (fast) umsonst. Denn die Idee ist, wenn du eine Postkarte verschickst,
bekommst du von einem zufälligen Postcrosser von irgendwoher eine Postkarte.
Und wie funktioniert
das Ganze jetzt?
Damit es losgehen kann, muss man sich erst mal registrieren.
Der nächste Schritt ist dann das Schreiben seiner ersten Postkarte. Die Website
wird dir eine Adresse von einem Postcrosser geben, an welchen du nun schreiben
musst. Du hast auch Zugriff auf sein Profil, in welchem viele schon Interessen
und Wünsche für Postkarten formuliert haben. Außerdem wird dir zusätzlich zur
adresse auch eine ID-Nummer angezeigt, die auf der Karte stehen muss.
Kommt deine Karte dann nämlich an, kann ihr Empfänger die
Postkarte mit dieser Nummer auf der Website registrieren und ab da bist auch du
berechtigt, Postkarten zu empfangen. Woher die dann kommen, ist eine
Überraschung!
von Yasemin Rittgerott
Serge ist 10 und kommst aus Minsk. Auf seiner Postkarte an
mich schreibt er, dass ihm mein Name gefällt und Deutsch sein Lieblingsfach in
der Schule ist. Muss ich erwähnen, dass die Karte auf Deutsch geschrieben ist?
Die 74-jährige Bep aus den Niederlanden schreibt zwar auf
Englisch, rührt mich aber mit dem Spruch „luck is in the small things“, der
auch auf Holländisch die Vorderseite ihrer Karte schmückt, genauso, wie der
kleine Serge. Der ist aber immer noch nicht der jüngste meiner Kartenschreiber.
Mateo ist erst 4 und ich gehe stark davon aus, dass seine Mutter die Karte
geschrieben hat. Sie war es auch, die ihn zu Postcrossing gebracht hat, weil er
es liebt, Postkarten zu sammeln. Seine Karte ist 11,795 km von Indonesien bis
zu mir (damals noch in England) gereist. Das ist aber noch lange nicht, die
längste Strecke, die eine Karte auf dem Weg zu mir zurücklegen musste. 19,058
km hat die Karte von Aaron aus Neuseeland hinter sich gebracht, dafür aber nur
17 Tage gebraucht. Keine wirklich lange Zeit verglichen zu den 68 Tagen, die
Dmitrys Karte aus Russland zu mir unterwegs war. Sachas Karte aus Frankreich
ist gleichzeitig die mit der kürzesten Reisedauer und kürzesten zu
überwindenden Strecke: 378 km in 3 Tagen. Außerdem ist sie auch meine erste
empfangene Karte via Postcrossing. Das war am 22. November 2012. Seitdem haben
es noch 44 weitere Postkarten ihren Weg in meinen Briefkasten gefunden.
Unteranderem auch die, die ich oben vorgestellt habe. Menschen aus 19
verschiedenen Ländern haben sich die Mühe gemacht, mir einen kleinen Gruß zu
senden. Ich bin jedes Mal wieder von Neuem fasziniert, wenn ich etwas Neues von
der Welt durch diese kleinen Pappstücke lerne. Und nicht nur über all die
verschiedenen Länder, aus denen ich Post bekomme, sondern auch über ihre
Menschen. Zum Beispiel, dass Esther aus Taiwan am liebsten „stinky tofu“ isst,
Julia aus Russland gerne Lana del Rey hört und dass der 15-jährige Ivan aus
Weißrussland sich für Fußball interessiert.
Meine Möglichkeiten jetzt sofort die ganze Welt zu bereisen,
sind begrenzt und während ich nur langsam alles selbst erkunden kann, lass ich
die Welt halt in meinen Briefkasten kommen.
von Tassia Weimann
Dieses Gefühl vor dem Briefkasten zu stehen und zu hoffen,
dass auch ein Brief für mich dabei ist, verfolgt mich schon mein Leben lang.
Was früher immer seltener vorkam, passiert jetzt schon öfters. Aber: Immer noch
nicht oft genug. Ich bin süchtig geworden nach dem Hochgefühl, wenn man einen
Brief oder eine Postkarte erhält - und
keine Rechnungen. Doch als ich in der Schweiz bei meiner Gastfamilie war, war
es auch erst einmal schlagartig mit schöner Post zu Ende. Ich nahm also Briefe
und Päckchen vom Postboten, der dort übrigens immer(!) mit dem Moped kommt, an
und hoffte inständig auf das Hochgefühl. Aber da kann man ja Gott sei Dank
nachhelfen. Dank Yasemin erfuhr ich von Postcrossing und zögerte nicht lange
mit der Anmeldung. Mir gefiel das Prinzip des Gegenseitigen Schreibens ohne
eine regelmäßige Verpflichtung einzugehen. Und es war eine Möglichkeit selbst
kreativ zu werden. Denn eine lieblos ausgewählte Postkarte macht mich selbst
auch nur halb so glücklich. Ich klaute meinen Gastkindern also Tuschkasten und
Pinsel und entwarf selbst Postkarten, die etwas mit der Schweiz zu tun hatten.
Meine erste Postkarte ging an Darrel, der in den USA lebt.
Ich schrieb den Text vor, da es mir schon irgendwie schwer fiel mit einem
unsichtbaren Gegenüber Smalltalk zu führen. Neben meiner damaligen Situation
erzählte ich ihm noch, was für mich das schönste an der Schweiz war – das Essen
und die kleine aber abwechslungsreiche Umgebung.
Was besonders schön an der Sache ist, dass man sich für
seine Postkarte auch bedanken kann und Fragen beantworten kann. Was Darrel so
süß wie kein Zweiter machte, als er meinte, er möchte nun auch kreativer werden
und auch so schöne Postkarten verschicken.
Danach war nun Abwarten angesagt auf meine erste Postkarte.
Die promt aus der Heimat und sogar aus Soltau kam. Ich muss zugeben, dass ich
doch ein wenig enttäuscht war. Es geht mir ja beim Postcrossing auch darum mit
Leuten aus den verschiedensten Ländern in Kontakt zu treten und etwas über ihr
Land und ihr Leben zu erfahren. Was nun Soltau leider nicht erfüllte.
Aber die nächsten Karten, die ich bekam, konnten mich mit
diesem Kriterium auf jeden Fall überzeugen. Da war einmal Helena aus Russland,
die sogar auch in Deutsch schrieb und deren Karte eine traditionelle russische
Tracht zeigte, die ich so auch noch nicht gesehen hatte. Und meine bisherige
Lieblingskarte von Gracy aus China. Ihre Karte war genau nach meinem Geschmack.
Sie ähnelt einer analogen Fotografie einer Einkaufsstraße in Gu Lan Yu und
wurde in meinem Zimmer sofort in einen Bilderrahmen gesteckt. Eigentlich war
sie die Erste, die mir geschrieben hatte. Bis sie mich aber erreichte waren
dann doch 17 Tage vergangen.
Meine anderen beiden Karten gingen beide nach Russland und
waren natürlich auch selbst gestaltet. Doch seitdem ich wieder in Deutschland
bin, ist mein Postcrossing leider etwas eingeschlafen. Die Motivation eine Karte von Deutschland zu
erstellen, hält sich bislang noch in Grenzen. Aber das kommt dann hoffentlich,
wenn es wieder raus aus der Heimatstadt in eine neue Stadt geht und man selbst
wieder alles mit anderen Augen sieht. Und dann schreib ich Myriam aus Soltau,
wie schön doch Deutschland ist. Und das Postcrossing mich motiviert hat über
meinen Wohnort nachzudenken.