Mittwoch, 17. August 2016

Printseite August 2016 / Unsichtbar


von Yasemin Rittgerott 

Es leben etwas über 7.353.804.000 Menschen auf der Welt. Gehe ich raus werde ich zum Teil der Masse. Ich beobachte die Menschen um mich herum gerne, wenn ich im Zug in die Heimat sitze und die Nacht die Landschaft vor dem Fenster verschluckt. Oder an der Supermarktkasse wenn die Kassiererin sich mal wieder zu viel Zeit lässt. Doch wie oft sehe ich die Menschen wirklich an? Meist schaue ich auf die Schuhe, die ich auch gerne hätte, die Handtasche oder die Frisur, die ich einfach nur grässlich finde. Wie oft ist der Mensch hinter seinem eigens nach außen zur Schau gestellten Kunstwerk nicht wichtig für mich? Wie oft sehe ich nicht richtig hin? Wie oft ist die Person selbst einfach nicht relevant? Ebenso erfahre ich am eigenen Leib, wie ich für andere unsichtbar bin. Jeden Tag verschwimme ich mit meinen Mitmenschen zu einem großen Gewühl, in dem der Einzelne nichts mehr zählt, ob in der Mensa beim großen Mittagsandrang, oder auf dem Konzert meiner Lieblingsband vor der Bühne. Man wird angerempelt und bekommt statt einer Entschuldigung nur einen genervten Blick von der Seite. Wenn ich so darüber nachdenke, wird mir ganz anders. So will ich doch gar nicht sein. So egal sollten mir die anderen, so unbekannt sie mir auch sein mögen, nicht sein. Ich appelliere an mich, an alle für: mehr Rücksichtsname, aufeinander Acht geben, sich ansehen und mehr geschenkten Lächeln.

von Tassia Weimann

Das unsichtbare Band, was zwischen uns einmal existiert hat, ist verschwunden. Keine Zuneigung, keine Vertrautheit, nur unendlich viele Worte, die wir uns im Ping-Pong-System zuwerfen. Wir können nicht jedes annehmen, manche prallen an unseren Schultern ab und andere werden mit einer gewaltigen Kraft zurückgeschleudert. Wir haben uns auseinandergelebt. Das Band ist zerrissen. Wie oft ich es versucht habe, es wieder zu nähen und irgendeiner von uns es wieder aufgerissen hat. Selbst die einfachsten Themen werden für uns zur Herausforderung. Unsere Worte sind gespitzt mit Vorwürfen von einer längst vergangenen, augenscheinlich gänzlich unwichtigen Zeit und doch fordern sie uns immer wieder heraus. Die anderen scherzen mit uns über die vergangene Zeit, über unsere Freundschaft, die schon einige Zeit übersteht. Vieles bleibt unausgesprochen, weil jeder doch die alten Geschichten kennt. Fast jeder in der Runde hat sie miterlebt und diejenigen, die sie nicht miterlebt haben, sollen ihre Tragweite nicht verstehen. „Alles locker, alles easy“ wollen wir vermitteln. Doch irgendwann kommen die anderen auf heiklere Themen und ich merke, dass es für dich nicht immer so einfach war, wie du es zu verkaufen versuchst. Ich habe meinen Einfluss auf dich unterschätzt. Irgendwo da unter deiner Fassade ist mehr. Mehr Wut und mehr Enttäuschung, als du dir und mir jemals zugestehen würdest. Und ich weiß nicht, ob mich diese Spuren in dir traurig machen oder mich beruhigen, dass ich nicht gänzlich aus deinem Leben verschwunden bin.

von Jonas Gadomska 

Leise ziehe ich die Tür hinter mir zu und schließe sie ab. Meine linke Hand greift routiniert in eine der hinteren Hosentaschen, in dem sich mein Smartphone befindet. Die Musik wird lauter. Dumpfe Klänge schallen nun aus meinen Kopfhörer, ich steige auf mein Rad und fahre los. Mir die Augen reibend, radele ich den Berg herunter. Viel zu früh und viel zu montägig für mich. Die Tatsache, dass ich in den ersten beiden Stunden an einem anderen Gymnasium unterrichtet werde, raubt mir jetzt schon den letzten Nerv. Dann werde ich mich wieder ganz allein und mit gesenktem Kopf durch die Flure kämpfen müssen. Ich werde, für andere unsichtbar, in einer lärmenden Menschenmasse vor dem Kursraum warten, um anschließend mein Schattendasein auf dem hintersten Stuhl fristen zu können. Ich atme tief durch und spüre die kalte Luft in meinen Lungen. Es sind ja nur zwei Schulstunden und der Montag ist sicher auch bald vorbei. Ich trete in die Pedale und hoffe, dass ich nach dem Kurs schnell in meine gewohnte Umgebung zurückkehren kann.

von Elina Göhrmann 

BAMM! Voller Wucht traf ich auf ein unsichtbares Hindernis. Ein paar Meter zurück, noch einmal schauen. Seltsam, genau an dieser Stelle sah ich nur die großen grünen Bäume und die blühende Wiese. Ich versuchte es erneut. BAMM! Ein wenig schwirrte mir schon der Kopf, während ich verwirrt erst einmal blieb, wo ich war. Konnte doch nicht sein. Vor wenigen Minuten war ich doch erst genau an dieser Stelle in dieses große Haus hineingeflogen! Dieses Mal flog ich etwas langsamer wieder in die Richtung, an der mich ständig etwas davon abhielt, wieder nach draußen zu fliegen. Da! Da war es schon wieder, obwohl ich einfach nichts sah. Vorsichtig platzierte ich erst zwei Beine, dann vier und dann alle sechs auf der Fläche. Das Hindernis war glatt, sehr stabil und auch aus dieser Entfernung nicht zu erkennen. Ein bisschen hoch krabbeln, ein bisschen runter. Das Hindernis nahm kein Ende. Aber ich hatte nun wirklich keine Lust hier drin zu bleiben und ich wusste hundertprozentig, dass ich eben noch hier hereingekommen war. Ich flog wieder ein Stück zurück, nahm ein Stückchen weit über der eben anvisierten Stelle in den Blick und BAMM! Wieder nichts. Dieses Mal torkelte ich nach unten und blieb auf dem glatten Boden liegen. Keine Wiese. Immer noch im Haus. Kann mir bitte jemand erklären, was hier los ist?
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