von Yasemin Rittgerott
Es leben etwas über 7.353.804.000 Menschen auf der Welt. Gehe
ich raus werde ich zum Teil der Masse. Ich beobachte die Menschen um mich herum
gerne, wenn ich im Zug in die Heimat sitze und die Nacht die Landschaft vor dem
Fenster verschluckt. Oder an der Supermarktkasse wenn die Kassiererin sich mal
wieder zu viel Zeit lässt. Doch wie oft sehe ich die Menschen wirklich an?
Meist schaue ich auf die Schuhe, die ich auch gerne hätte, die Handtasche oder
die Frisur, die ich einfach nur grässlich finde. Wie oft ist der Mensch hinter
seinem eigens nach außen zur Schau gestellten Kunstwerk nicht
wichtig für mich? Wie oft sehe ich nicht richtig hin? Wie oft ist die Person
selbst einfach nicht relevant? Ebenso erfahre ich am eigenen Leib, wie ich für
andere unsichtbar bin. Jeden Tag verschwimme ich mit meinen Mitmenschen zu einem
großen Gewühl, in dem der Einzelne nichts mehr zählt, ob in der Mensa beim
großen Mittagsandrang, oder auf dem Konzert meiner Lieblingsband vor der Bühne.
Man wird angerempelt und bekommt statt einer Entschuldigung nur einen genervten
Blick von der Seite. Wenn ich so darüber nachdenke, wird mir ganz anders. So
will ich doch gar nicht sein. So egal sollten mir die anderen, so unbekannt sie
mir auch sein mögen, nicht sein. Ich appelliere an mich, an alle für: mehr
Rücksichtsname, aufeinander Acht geben, sich ansehen und mehr geschenkten
Lächeln.
von Tassia Weimann
Das unsichtbare Band, was zwischen uns einmal existiert hat,
ist verschwunden. Keine Zuneigung, keine Vertrautheit, nur unendlich viele
Worte, die wir uns im Ping-Pong-System zuwerfen. Wir können nicht jedes
annehmen, manche prallen an unseren Schultern ab und andere werden mit einer
gewaltigen Kraft zurückgeschleudert. Wir haben uns auseinandergelebt. Das Band
ist zerrissen. Wie oft ich es versucht habe, es wieder zu nähen und irgendeiner
von uns es wieder aufgerissen hat. Selbst die einfachsten Themen werden für uns
zur Herausforderung. Unsere Worte sind gespitzt mit Vorwürfen von einer längst
vergangenen, augenscheinlich gänzlich unwichtigen Zeit und doch fordern sie uns
immer wieder heraus. Die anderen scherzen mit uns über die vergangene Zeit,
über unsere Freundschaft, die schon einige Zeit übersteht. Vieles bleibt
unausgesprochen, weil jeder doch die alten Geschichten kennt. Fast jeder in der
Runde hat sie miterlebt und diejenigen, die sie nicht miterlebt haben, sollen
ihre Tragweite nicht verstehen. „Alles locker, alles easy“ wollen wir
vermitteln. Doch irgendwann kommen die anderen auf heiklere Themen und ich
merke, dass es für dich nicht immer so einfach war, wie du es zu verkaufen
versuchst. Ich habe meinen Einfluss auf dich unterschätzt. Irgendwo da unter
deiner Fassade ist mehr. Mehr Wut und mehr Enttäuschung, als du dir und mir
jemals zugestehen würdest. Und ich weiß nicht, ob mich diese Spuren in dir
traurig machen oder mich beruhigen, dass ich nicht gänzlich aus deinem Leben
verschwunden bin.
von Jonas Gadomska
Leise ziehe ich die Tür hinter mir zu und schließe sie ab.
Meine linke Hand greift routiniert in eine der hinteren Hosentaschen, in dem
sich mein Smartphone befindet. Die Musik wird lauter. Dumpfe Klänge schallen
nun aus meinen Kopfhörer, ich steige auf mein Rad und fahre los. Mir die Augen
reibend, radele ich den Berg herunter. Viel zu früh und viel zu montägig für
mich. Die Tatsache, dass ich in den ersten beiden Stunden an einem anderen
Gymnasium unterrichtet werde, raubt mir jetzt schon den letzten Nerv. Dann
werde ich mich wieder ganz allein und mit gesenktem Kopf durch die Flure
kämpfen müssen. Ich werde, für andere unsichtbar, in einer lärmenden
Menschenmasse vor dem Kursraum warten, um anschließend mein Schattendasein auf
dem hintersten Stuhl fristen zu können. Ich atme tief durch und spüre die kalte
Luft in meinen Lungen. Es sind ja nur zwei Schulstunden und der Montag ist
sicher auch bald vorbei. Ich trete in die Pedale und hoffe, dass ich nach dem
Kurs schnell in meine gewohnte Umgebung zurückkehren kann.
von Elina Göhrmann
BAMM! Voller Wucht traf ich auf ein unsichtbares Hindernis.
Ein paar Meter zurück, noch einmal schauen. Seltsam, genau an dieser Stelle sah
ich nur die großen grünen Bäume und die blühende Wiese. Ich versuchte es
erneut. BAMM! Ein wenig schwirrte mir schon der Kopf, während ich verwirrt erst
einmal blieb, wo ich war. Konnte doch nicht sein. Vor wenigen Minuten war ich
doch erst genau an dieser Stelle in dieses große Haus hineingeflogen! Dieses
Mal flog ich etwas langsamer wieder in die Richtung, an der mich ständig etwas
davon abhielt, wieder nach draußen zu fliegen. Da! Da war es schon wieder,
obwohl ich einfach nichts sah. Vorsichtig platzierte ich erst zwei Beine, dann
vier und dann alle sechs auf der Fläche. Das Hindernis war glatt, sehr stabil
und auch aus dieser Entfernung nicht zu erkennen. Ein bisschen hoch krabbeln,
ein bisschen runter. Das Hindernis nahm kein Ende. Aber ich hatte nun wirklich
keine Lust hier drin zu bleiben und ich wusste hundertprozentig, dass ich eben
noch hier hereingekommen war. Ich flog wieder ein Stück zurück, nahm ein
Stückchen weit über der eben anvisierten Stelle in den Blick und BAMM! Wieder
nichts. Dieses Mal torkelte ich nach unten und blieb auf dem glatten Boden
liegen. Keine Wiese. Immer noch im Haus. Kann mir bitte jemand erklären, was
hier los ist?
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