von Elina Göhrmann
…mit Führerschein
Vorsichtig rollte ich mit meinem Roller aus unserer
vollgestopften Garage. „Bloß nicht gegen die zahlreichen Geräte stoßen, bitte,
bitte bloß nicht irgendwo gegen stoßen.“ Ich nahm diesen inneren Monolog nur
nebenbei wahr, während ich die Farbe des Lackes, den gemütlichen Sitz und vor
allem die Vorfreude genoss – endlich konnte ich alleine auf meiner eigenen
125ccm-Maschine zur Schule fahren. Nie wieder auf dem Fahrrad gegen den Wind
ankämpfen! Nie wieder im Bus sitzen! Mein Helm und die riesige Motorradjacke,
die mein Kreuz mindestens doppelt so breitmachte, hatten schon seit Tagen ihren
angestammten Platz in meinem Zimmer gefunden und waren immer wieder
hervorgekramt worden. Mit wenigen Worten: Ich hatte endlich meinen ersten
Führerschein! Es interessierte in diesem Moment nicht, dass auch mein Fahrrad
irgendwann einmal so behütet worden war, dass es bloß keinen Kratzer bekommen
durfte. Und auch nicht, dass eben jenes inzwischen voll von diesen kleinen
Makeln war. Was zählte war einfach nur dieser Moment, in dem jede Kleinigkeit,
die mit dieser elfenbeinfarbenen Maschine zu tun hatte, einfach famos war.
von Jonas Gadomska
…im neuen Verein
Ich drücke die Klinke herunter, lehne mich gegen die große
rote Stahltür und öffne sie angespannt. Vor mir befindet sich ein schmaler
langer Raum mit langen Bänken, die links und rechts an den Wänden montiert
wurden. Auf ihnen sitzen mindestens zwanzig andere Jungen, wobei ich die Hälfte
heute zum ersten Mal sehe. Mein Blick wandert die Bänke entlang und stoppt am
Ende des Raums. Ich erkenne die nur Umrisse der Person, die vor dem Fenster
steht. Sie scheint größer als ich zu sein und kommt auf mich zu. „Hallo Jonas,
da bist du ja!“, sagt sie mit einer heiteren Stimme. Ich kneife meine Augen
zusammen und erkenne die Gesichtszüge und die Statur eines älteren Mannes. Er
streckt mir seine rechte Hand entgegen, als er mich erreicht und sagt zu den
anderen: „Leute, ich glaube wir werden diese Saison durch unseren neuen
Mitspieler und Vereinskameraden noch besser sein!“ Ich lächele und meine
Anspannung fällt wie ein Stein von meinem aufgeregten Herzen.
von Tassia Weimann
Erster Schultag... auf der anderen Seite
Ich stehe im Klassenzimmer und lasse meinen Blick über die
leeren Plätze schweifen. Es ist ruhig. Alles liegt gut vorbereitet auf dem
Lehrerpult. Ich atme aus, um meinen Herzschlag zu beruhigen. Ich rede
abwechselnd mit meiner Praktikumslehrerin und mit den Regenwürmern, die sich in
der Plastikbox winden. Ihre Gefährten haben in der Glasvase einen schöneren
Platz und den leichteren Job erwischt, aber diese sind gut versteckt hinter dem
Lehrerpult. Die Kinder kommen nach und nach in die Klasse und erzählen von
ihrem Weg zur Schule oder vom letzten Tag. Während sie ihre Aufgaben vor dem
Klingeln erledigen, fragen sie mich auch um Hilfe. Ich merke, wie meine
Anspannung etwas abfällt, auch wenn mich meine Dozentin von der letzten Reihe
aus beobachtet. Ich fühle mich als Teil der Klasse, spüre das Vertrauen der
Schülerinnen und Schüler. Die Lehrerin liest im Morgenkreis noch selbst eine
Geschichte vor. Thematisch passend über einen Jungen und einen Regenwurm.
Leider haben wir die Geschichte nicht vorher gelesen und so gibt es laute
Proteste und vor Ekel verzogene Münder, als erklärt wird, dass der Junge den
Regenwurm isst – mit ganz viel Ketchup. Ich lache mit, aber hoffe inständig,
dass die Kinder nun trotzdem die Regenwürmer in die Hand nehmen werden. Die
Stunde läuft so, wie ich sie mir zurechtgelegt hatte. Die in stundenlanger
Kleinstarbeit erstellten Materialien motivieren die Kinder. Ihre Spannung ist
förmlich zu greifen, als ich die Vase mit den Regenwürmern auf den Tisch
stelle. Und während die Kinder in den Stationen arbeiten, habe ich Zeit alles
zu überblicken. Ich bin erleichtert und fühle mich unendlich wohl. Ich nehme
mir ein paar Sekunden, um diesen Moment einzufrieren. Zu konservieren, um ihn
später wieder abrufen zu können. Meine erste Schulstunde auf der anderen Seite
des Klassenzimmers hätte nicht schöner laufen können.
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