Mittwoch, 5. März 2014

Printausgabe März 2014 / Ich liebe mich (nicht)

von Yasemin Rittgerott

So, hier bin ich. Ashley. Ich gehöre zu den coolsten Mädchen der Schule, habe den bestaussehensten Typen zum Freund und die ganze Schule blickt zu mir auf. Mit meinen Freunden ziehe ich die verrücktesten Dinge durch. Kein Lehrer oder Mitschüler ist vor unseren Aktionen sicher. Und dank der Selbstverständlichkeit mit der wir sie tun, kommen wir auch immer, wirklich immer, damit durch. Von frechen Sprüchen über miese Streiche bis zu Mobbing war alles dabei.
Eine Party zu der ich nicht komme, war keine richtige Party, und eine Party zu der ich komme, wird zur Legende. Jeder Typ der Schule wäre gern mein Freund, oder würde zumindest gern mal meine Brüste anfassen. Das kann ich ihnen auch nicht verübeln. Meine Brüste mag ich auch an mir. Aber das ist dann auch schon alles. Meine Beine sind zwar lang, aber formen etwas ein O. Mein Gesicht ist ok, aber nicht besonders. Meine Haare sind lang und blond, aber nicht echt. Und was bringt mir all die Aufmerksamkeit der ganzen Schule, wenn meine Noten davon nicht besser werden. Mit meinen kurzen Röcken kann ich zwar ab und zu den ein oder anderen jungen Lehrer in Verlegenheit bringen, aber das hält sie meist nicht davon ab mir Fragen zu stellen, die ich nicht beantworten kann.
Doch dann kam der Moment der mir alles vor Augen führte. Seitdem ich all das so deutlich wie nie zuvor sehe. Seit diesem Morgen nach einer besonders hart durchfeierten Nacht, an dem ich in einem mir ziemlich bekannten Vorgarten mit einem mir ebenfalls sehr bekannten Gesicht über mir erwachte. Ich war bei meinem Sandkastenfreund Mike gelandet. Die feuchte Kälte, die vom Rasen in meinem Rücken ausging, ließ mich am ganzen Körper zittern, aber noch stärker spürte ich, wie er mich durchdringend an mit seinen eisblauen Augen ansah: „Manchmal denke ich, du bist nicht mehr du. Aber ich kann dich noch sehen.“ Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf zischte ihm: „Gar nichts weißt du über mich!“ ins Gesicht und legte einen Sprint bis um die nächste Straßenecke hin. Von dort lief ich mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf die paar Straßen bis zu mir nach Hause. Mit jedem Schritt wurde mir dabei bewusster, was Mike mit dem, was er zuvor gesagt hatte, gemeint hatte. Früher war ich so anders. Ich sah nur das Gute in der Welt und hatte so viele wundersame Pläne für meine Zukunft. Ich wollte Reisen und dabei jedem Menschen auf meinem Weg ein Lächeln schenken. Heute konnten sich die Leute, die von mir mit einem Lächeln beglückt wurden, glücklich schätzen. Ich hielt mich für was Besseres. Dabei war ich früher so davon überzeugt, dass alle Menschen gleich seien. „Aber ich sehe dich noch“, hallten Mikes Worte in meinem Kopf nach. Er hatte Recht, ich konnte mich auch noch sehen. Ich hatte nicht vergessen, was mich an all diesen Ideen, damals so begeistert hatte. Und doch hatte ich einen anderen Weg eingeschlagen. Einen Weg, der mir plötzlich so primitiv und ziellos vorkam. Was wollte ich damit erreichen. Als ich zu Hause ankam, sperrte ich mich für den Rest des Wochenendes in mein Zimmer ein und schaltete mein Handy aus. Am Montag in der Schule erzählte ich meinen Freunden, dass ich das ganze Wochenende krank im Bett gelegen hätte und nicht mal in der Lage war, die aktuellsten Folgen der besten Reality-TV-Sendung zu schauen. Aber die Gedanken lassen mich nicht los. Die Zweifel an dem, was ich dachte zu sein und an dem, was ich einmal sein wollte, halten mich fest und lassen mich bis tief in die Nacht die Decke anstarren. Meine Fäuste sind geballt: „Was ist nur aus mir geworden?“

von Tassia Weimann

Es tut mir leid, dass ich nicht so bin wie manche mich haben wollen.
“Sei nicht so pessimistisch, sei nicht so nachdenklich, sei doch mal ernster, sei nicht so laut, nerv nicht so, sei nicht so ein Moralapostel & gib keine Widerworte.“
Irgendwann sieht man nicht mehr, wer man wirklich ist. Man sieht nur noch die scheinbaren Fehler. „Färb dir deine Haare nicht so, deine Kleidung ist schrecklich“ Ist es das was einen nachdenken lässt? Ist man doch nicht so selbstbewusst & abgehärtet, wie man gerne wäre?
Und es ist immer leicht gesagt, dass ich mir das alles nicht zu Herzen nehmen sollte. Aber jeder stellt Erwartungen an dich und oft enttäuschst du. Dich und die Anderen. Du bringst den Müll nicht raus, obwohl du es gesagt hast. Oder vergisst den Geburtstag eines guten Freundes. Oder du sagst deine Meinung einer Freundin mitten ins Gesicht, auch wenn ihr das wehtun wird. Und danach denkt man darüber nach, ob das alles so richtig war. Weil man immer etwas besser machen, sein oder auch etwas Besseres haben kann. Und manchmal macht einem das Sorgen und ein anderes Mal kann man darüberstehen. Dann kann man akzeptieren, dass man leider nicht immer perfekt ist. Aber das ist okay. Liebe muss wachsen - ich werde an meiner Liebe zu mir arbeiten.
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