von Elina Göhrmann
Die Frau im
Spiegel sieht nicht glücklich aus, denkt sie, als sie sich auf dem Stuhl
niedersinken lässt. Müde wischt sie sich das Make-Up aus dem Gesicht und registriert
seufzend, dass ihre Haut noch grauer, als gestern oder gar vorgestern, ist.
Unter ihren Augen liegen dunkle Ringe. Kein Wunder, wo sie doch ständig in der
Nacht die Stimmen der anderen am Hofe hört. „Mehr als hübsch sein kann sie
nicht“, „Sie musste sich doch noch nie Sorgen machen“, „Was will sie denn mehr?
Jeder andere wäre froh, wenn man so einem reichen und edlen Herrn versprochen
wäre.“
Was wussten
sie alle denn schon? Ihr restliches Leben würde sie mit diesem Mann verbringen
müssen, der nicht einmal einen Hauch von Ahnung hatte, was ihr wichtig war. Ständig
musste sie darauf achten, was sie sagte und egal wie schlecht es ihr ging,
niemals durfte sie es zeigen. Es gab Tage, da tat ihr Gesicht vom Lächeln weh
und wie oft sie doch gerne in der Bibliothek gesessen und gelernt hätte, aber
ihre Pflichten ihr keine Zeit dafür gelassen hatten.
Als es an
der Tür klopfte, wusste sie, dass ihre Zeit für sich vorbei war. Ihre zwei
Kammerzofen traten ein und fingen an, ihr Haar zu bürsten und ihr Bett
aufzuschlagen. Mühsam zauberte sie wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht. Während sie
ihr Spiegelbild anschaute, fragte sie sich, ob noch andere merkten, dass es
ihre Augen nicht erreichte. „Morgen müsst Ihr ausgeruht sein, Herrin“,
zwitscherte die Zofe, die gerade ihre Schlafsachen heraussuchte. „Es ist Euer
großer Tag und Ihr werdet fantastisch aussehen.“ Ihre Zofe Leila, die immer
noch mit einem Kamm durch ihre blonden Haare fuhr, bemerkte bestimmt, wie sie zusammenfuhr,
sagte aber nichts. Erst, als beide sich verabschiedeten und sie alleine ließen,
beugte sie sich noch einmal vor. „Es gibt auch Leute, die Euch verstehen.“ Und
für ein paar Minuten tröstete sie das sogar.
von Tassia Weimann
Ich
übernehme Verantwortung. Mit meinen Worten. Mit den Informationen, die ich den
anderen damit mitteile, auch wenn ich es selbst vielleicht nicht beabsichtigt
habe.
Am liebsten
würde ich mich auf den Marktplatz stellen und die Postkarten meiner
Studienvertretung wie Flugblätter fliegen lassen. So dass bei manchen Passanten
die Ecken der Postkarte in die Stirn pieksen. Ein bisschen wehtun muss es
schließlich schon. Die bunten Postkarten schmücken auf der Vorderseite
provokante Äußerungen wie „Bist du behindert?“, „Mongo“, „Spast“, „Du Jude!“,
„Du Neger!“ und noch viele mehr. Alle sind mit einem kleinen Sternchen versehen,
der auf die Frage hinweist: „Weißt du eigentlich, was du da sagst?“ Auf
der Rückseite steht dann eine sachliche Erklärung des Begriffes.
Und diese
Erklärung haben manche bitter nötig. Niemand ist unfehlbar. Immer wieder sind
mir in der Vergangenheit Wörter über die Lippen gekommen, die gerade dem
Jugendslang entsprachen. Wörter über die ich selbst nicht nachgedacht habe. Es
war ebenso. Aber ich muss mir Mühe geben. Ich möchte nicht, dass andere durch
mich lernen, dass man alles einfach sagen kann, was man will. Dinge, deren Sinn
man nicht einmal versteht. Ich möchte Verständnis schaffen und nicht noch
mehr Abstand. Wer weiß denn bitte noch, dass der Begriff „Kanake“ früher für
Seemänner verwendet wurde? Genau niemand. Also bitte erst denken und dann
einfach schweigen.
von Yasemin Rittgerott
"Du
bist tausend Lieder wert. Mehr. Viel mehr.", sagtest du, drehtest dich um
und gingst. Ich sehe dir nach. Deine Worte klingen in meinen Ohren. Du hast bei
mir eingeschlagen und hinterlässt nun nichts außereinem Chaos aus Wut,
Enttäuschung und Tränen. Tränen, die ich nicht weinen kann, weil da nichts ist.
Nichts, außer einer alles ausfüllenden Leere – mich ausfüllend mit
Unverständnis.
Geschockt
stehe ich da, wie ein Reh im Scheinwerferlicht und betrachte die Trümmer.
Dabei hatte
mein Herbst so gut angefangen.
„Es sind die
Kleinigkeiten, die sich lohnen, sie zu beschreiben... Wenn du zum Beispiel
lachst, lachst du mit deinem ganzen Gesicht. Das ist unglaublich warmherzig.“
und weitere solcher Sätze, fluteten meine ausgetrockneten Ohren mit Zuneigung,
wie sie sie Jahre nicht gehört hatten.
Und ich
lachte, lachte dich an. Aber weißt du überhaupt, was du da alles gesagt hast?
Weißt du
überhaupt mit welcher Wucht deine Worte bei mir einschlugen? Wenn ich mir jedes
von ihnen immer und immer wieder ins Gedächtnis rufe, komme ich dem Abgrund
jedes Mal ein Stück näher.
Doch du
wirst dort unten nicht auf mich warten – das weiß ich. Ich erinnere mich, wie
sich alles an dir einig war. Deine Augen, deine Hände, dein Lachen, alles hat
mir deutlich gesagt: „Ich will dich.“ Doch letztendlich waren es deine Lippen,
die die Worteformten: „Ich weiß halt gar nicht genau ob ich momentan so auf was
Festes aus bin... Es hat sich vielleicht einfach nicht richtig angefühlt und es
tut mir sehr leid, dass du jetzt mit den Konsequenzen leben musst.“
Was erwartet
mich dann am Ende dieses schwarzen Nichts? Woraus ist dieser Boden gemacht, auf
dem ich zerschellen werde?
Wieso falle
ich überhaupt? Wie konnte ich deinen Worten Glauben schenken? Mich in ihrem
süßen Netz verfangen?
Vielleicht
habe ich mir einfach so sehr gewünscht, dass das Gewicht deiner Worte mein
Leben aufwiegt. Hätte ich etwas ändern können?
Deine Worte
haben mir die Sprache verschlagen. Hätte ich etwas sagen können, dass deine Worte
nicht ihr Gewicht verlieren?