Mittwoch, 18. September 2013

Printseite September 2013 / Postcrossing

von Yasemin Rittgerott

Was ist Postcrossing?
Paulo Magalhães aus Portugal bekam schon immer gerne Post – vor allem Postkarten. Ob von Freunden, Familie oder irgendwo aus der Welt, das ist egal, je zufälliger der Ort und die Person, desto besser. Er kannte noch einige Leute, denen es genauso ging, und so entstand die Grundidee von einer Internetplattform, die sein Offline-Hobby unterstützen konnte.
In seiner Freizeit fing Paulo dann an, an der Website zu basteln und Freunde halfen sie zu testen. Und nach ein wenig Unentschlossenheit über den Namen, war das Postcrossing Projekt am 14. Juli 2005 für jederman zugänglich.
Sein Ziel: Menschen auf der ganzen Welt durch Postkarten verbinden, unabhängig von ihrem Ort, Alter, Geschlecht oder Glauben. Und das für (fast) umsonst. Denn die Idee ist, wenn du eine Postkarte verschickst, bekommst du von einem zufälligen Postcrosser von irgendwoher eine Postkarte.

Und wie funktioniert das Ganze jetzt?
Damit es losgehen kann, muss man sich erst mal registrieren. Der nächste Schritt ist dann das Schreiben seiner ersten Postkarte. Die Website wird dir eine Adresse von einem Postcrosser geben, an welchen du nun schreiben musst. Du hast auch Zugriff auf sein Profil, in welchem viele schon Interessen und Wünsche für Postkarten formuliert haben. Außerdem wird dir zusätzlich zur adresse auch eine ID-Nummer angezeigt, die auf der Karte stehen muss.
Kommt deine Karte dann nämlich an, kann ihr Empfänger die Postkarte mit dieser Nummer auf der Website registrieren und ab da bist auch du berechtigt, Postkarten zu empfangen. Woher die dann kommen, ist eine Überraschung!

von Yasemin Rittgerott

Serge ist 10 und kommst aus Minsk. Auf seiner Postkarte an mich schreibt er, dass ihm mein Name gefällt und Deutsch sein Lieblingsfach in der Schule ist. Muss ich erwähnen, dass die Karte auf Deutsch geschrieben ist?
Die 74-jährige Bep aus den Niederlanden schreibt zwar auf Englisch, rührt mich aber mit dem Spruch „luck is in the small things“, der auch auf Holländisch die Vorderseite ihrer Karte schmückt, genauso, wie der kleine Serge. Der ist aber immer noch nicht der jüngste meiner Kartenschreiber. Mateo ist erst 4 und ich gehe stark davon aus, dass seine Mutter die Karte geschrieben hat. Sie war es auch, die ihn zu Postcrossing gebracht hat, weil er es liebt, Postkarten zu sammeln. Seine Karte ist 11,795 km von Indonesien bis zu mir (damals noch in England) gereist. Das ist aber noch lange nicht, die längste Strecke, die eine Karte auf dem Weg zu mir zurücklegen musste. 19,058 km hat die Karte von Aaron aus Neuseeland hinter sich gebracht, dafür aber nur 17 Tage gebraucht. Keine wirklich lange Zeit verglichen zu den 68 Tagen, die Dmitrys Karte aus Russland zu mir unterwegs war. Sachas Karte aus Frankreich ist gleichzeitig die mit der kürzesten Reisedauer und kürzesten zu überwindenden Strecke: 378 km in 3 Tagen. Außerdem ist sie auch meine erste empfangene Karte via Postcrossing. Das war am 22. November 2012. Seitdem haben es noch 44 weitere Postkarten ihren Weg in meinen Briefkasten gefunden. Unteranderem auch die, die ich oben vorgestellt habe. Menschen aus 19 verschiedenen Ländern haben sich die Mühe gemacht, mir einen kleinen Gruß zu senden. Ich bin jedes Mal wieder von Neuem fasziniert, wenn ich etwas Neues von der Welt durch diese kleinen Pappstücke lerne.  Und nicht nur über all die verschiedenen Länder, aus denen ich Post bekomme, sondern auch über ihre Menschen. Zum Beispiel, dass Esther aus Taiwan am liebsten „stinky tofu“ isst, Julia aus Russland gerne Lana del Rey hört und dass der 15-jährige Ivan aus Weißrussland sich für Fußball interessiert.
Meine Möglichkeiten jetzt sofort die ganze Welt zu bereisen, sind begrenzt und während ich nur langsam alles selbst erkunden kann, lass ich die Welt halt in meinen Briefkasten kommen.

von Tassia Weimann

Dieses Gefühl vor dem Briefkasten zu stehen und zu hoffen, dass auch ein Brief für mich dabei ist, verfolgt mich schon mein Leben lang. Was früher immer seltener vorkam, passiert jetzt schon öfters. Aber: Immer noch nicht oft genug. Ich bin süchtig geworden nach dem Hochgefühl, wenn man einen Brief oder eine Postkarte erhält  - und keine Rechnungen. Doch als ich in der Schweiz bei meiner Gastfamilie war, war es auch erst einmal schlagartig mit schöner Post zu Ende. Ich nahm also Briefe und Päckchen vom Postboten, der dort übrigens immer(!) mit dem Moped kommt, an und hoffte inständig auf das Hochgefühl. Aber da kann man ja Gott sei Dank nachhelfen. Dank Yasemin erfuhr ich von Postcrossing und zögerte nicht lange mit der Anmeldung. Mir gefiel das Prinzip des Gegenseitigen Schreibens ohne eine regelmäßige Verpflichtung einzugehen. Und es war eine Möglichkeit selbst kreativ zu werden. Denn eine lieblos ausgewählte Postkarte macht mich selbst auch nur halb so glücklich. Ich klaute meinen Gastkindern also Tuschkasten und Pinsel und entwarf selbst Postkarten, die etwas mit der Schweiz zu tun hatten.
Meine erste Postkarte ging an Darrel, der in den USA lebt. Ich schrieb den Text vor, da es mir schon irgendwie schwer fiel mit einem unsichtbaren Gegenüber Smalltalk zu führen. Neben meiner damaligen Situation erzählte ich ihm noch, was für mich das schönste an der Schweiz war – das Essen und die kleine aber abwechslungsreiche Umgebung.
Was besonders schön an der Sache ist, dass man sich für seine Postkarte auch bedanken kann und Fragen beantworten kann. Was Darrel so süß wie kein Zweiter machte, als er meinte, er möchte nun auch kreativer werden und auch so schöne Postkarten verschicken.
Danach war nun Abwarten angesagt auf meine erste Postkarte. Die promt aus der Heimat und sogar aus Soltau kam. Ich muss zugeben, dass ich doch ein wenig enttäuscht war. Es geht mir ja beim Postcrossing auch darum mit Leuten aus den verschiedensten Ländern in Kontakt zu treten und etwas über ihr Land und ihr Leben zu erfahren. Was nun Soltau leider nicht erfüllte.
Aber die nächsten Karten, die ich bekam, konnten mich mit diesem Kriterium auf jeden Fall überzeugen. Da war einmal Helena aus Russland, die sogar auch in Deutsch schrieb und deren Karte eine traditionelle russische Tracht zeigte, die ich so auch noch nicht gesehen hatte. Und meine bisherige Lieblingskarte von Gracy aus China. Ihre Karte war genau nach meinem Geschmack. Sie ähnelt einer analogen Fotografie einer Einkaufsstraße in Gu Lan Yu und wurde in meinem Zimmer sofort in einen Bilderrahmen gesteckt. Eigentlich war sie die Erste, die mir geschrieben hatte. Bis sie mich aber erreichte waren dann doch 17 Tage vergangen.
Meine anderen beiden Karten gingen beide nach Russland und waren natürlich auch selbst gestaltet. Doch seitdem ich wieder in Deutschland bin, ist mein Postcrossing leider etwas eingeschlafen.  Die Motivation eine Karte von Deutschland zu erstellen, hält sich bislang noch in Grenzen. Aber das kommt dann hoffentlich, wenn es wieder raus aus der Heimatstadt in eine neue Stadt geht und man selbst wieder alles mit anderen Augen sieht. Und dann schreib ich Myriam aus Soltau, wie schön doch Deutschland ist. Und das Postcrossing mich motiviert hat über meinen Wohnort nachzudenken.
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