Mittwoch, 16. Oktober 2013

Printausgabe Oktober 2013 / Makel(los)

von Tassia Weimann

"Mit jedem deiner Fehler lieb ich dich mehr", singt Philipp Poisel in seinem Ohr und irgendwie fühlt er sich unwohl in seiner Haut. Nicht nur, weil er Philipp Poisel hört. Nein, irgendwie kann er das nicht glauben. Dass Fehler einen noch liebenswerter machen. Zu etwas Besonderem. Denn schließlich zielt doch alles auf Schönheit ab. Die Firmen, die Werbung, die Modelagenturen, das Fernsehen. Wenn Dieter Bohlen nach einer mäßigen Gesangseinlage lobt: "Sie sieht super aus - Sie hat das Zeug zum Superstar!", dann fragt er sich wirklich, ob es nicht doch unsere Makel sind, die uns ausscheiden lassen. Die uns nicht in die Hollistermodelkartei lassen oder jede andere Chance mildern. Wie die Chancen der Frauen bei einem seiner Kumpel, der selbst Freunde nach Schönheit sortiert. "Sie ist nicht so hübsch, aber ihre Freundinnen sind heiß! Da geh ich hin!" Na danke, denkt er auch dann, aber schweigt. Ihm gefällt seine Nase nicht und seine ebenfalls schiefen Zähne. Und dunklere Haare wären auch besser. Aber eigentlich wäre es nur besser wäre ihm all das endlich egal. Würde er einfach auf seine wirklichen Freunde hören, die ihm auf die Schulter klopfen und ihn nicht wegen Philipp Poisel aufziehen. Die mit ihm über diese aufgesetzten Mädchen herziehen, die mit ihrem "ach so perfekten" Aussehen plus ampelroten Lippenstift um Aufmerksamkeit buhlen. Die wahrscheinlich sagen würden, er sei nicht hübsch. Durchschnittlich, aber nicht hübsch. Nichts mit dem sie dich abfinden würden. Und sein erster Gedanke ist: "Verdammt macht dich dein Charakter hässlich". Denn eigentlich sollten wir verdammt klischeehaft sagen: Das Innere zählt. Denn das tut es. Selbst wenn er perfekt aussehen würde, wären ihm diese Mädchen mit ihrer Oberflächlichkeit zuwider. Und er möchte eh kein Superstar werden. Sein einziger Fehler bleibt: Er denkt zu viel. Und der einzige Gedanke, der ihm nicht in den Sinn kommt ist, dass ihn das verdammt liebenswert macht.

von Yasemin Rittgerott

Sie bedecken deine Haut, als hätte ein kleines Kind beim Malen nicht richtig aufgepasst und überall Farbe herumgespritzt. Es sind tausende und scheinen kein Ende nehmen zu wollen. Wenn ich dich ansehe, fühle ich mich als würde ich den dunklen Nachthimmel betrachten von dem die Sterne hinableuchten und mit ihrem Licht ihre ganz eigenen Geschichten auf die Erde senden. Genauso strahlen mir auch diese orangenen Tupfer von deiner blassen Haut entgegen. In ihnen sehe ich Bilder, die sich aneinanderreihen und mit meiner Fantasie von so einigen Abenteuern erzählen.
Schon oft habe ich angefangen sie zu zählen und dabei versucht, jeder einzelnen einen Kuss aufzudrücken, aber das hat dich gekitzelt. Aber eigentlich ist es weniger das Gekitzle, was dich stört.
Du magst es überhaupt nicht, wenn ich deinen Sommersprossen so viel Aufmerksamkeit schenke. Einmal hast du mir erzählt, wie du als Kind versucht hast, sie dir von der Haut zu radieren. Mit den Jahren hast du gelernt, sie zu akzeptieren. Aber wie gesagt, so richtig gern hast du sie immer noch nicht. Dabei lassen sie dich so zuckersüß aussehen, wie sie sich zu kleinen Horden zusammenfinden, zum Beispiel um deine Nase oder auf deinen Knien.
Deine Sommersprossen lassen dich lebendig wirken, selbst wenn du mit geschlossenen Augen einfach nur daliegst. Auf deiner Haut geht die Party. Von glattgebügelt keine Spur. Sie machen dich einzigartig.
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