Mittwoch, 5. Februar 2014

Printausgabe Februar 2014 / Tapetenwechsel

von Jonas Gadomska

Endlich mal was Neues, eine Veränderung, der erste Schritt zum „Erwachsenwerden“, dass dachte ich vor fast zehn Jahren – mein eigenes Zimmer. Ich war aufgeregt, endlich mal meine eigenen Erfahrungen, ohne nervige Geschwister auf einer eigenen Etage zu sammeln. Ich lief stolz mit einem IKEA – Prospekt durch die Gegend, in der Hoffnung meine Brüder würden mich beneiden, da ich mein Zimmer ganz „individuell“ gestalten durfte. Wenn ich jetzt zurückdenke, kann ich meine Entscheidung nicht nachvollziehen. Eine hellblaue Tapete mit passendem Teppich, helle Möbel, einen etwas zu groß geratenen Schreibtisch, der das halbe Zimmer einnimmt und hellgrüne Lampen. Ich war ziemlich froh, als meine Eltern mir vor einer Woche vorschlugen, mein Zimmer zu renovieren. Ein Tapetenwechsel wäre jetzt genau das Richtige!

von Tassia Weimann

Ich sitze im Flugzeug nach Hause und schaue aus dem Fenster, während ich deine Hand drücke. Wie sehr ich diese vierzehn Tage auf der Insel genossen habe.  Endlich raus aus dem Alltagstrott. Weg von fünf Monaten Fernbeziehung und Kinderbetreuung. Endlich nur wir beide in einem fremden Land mit ganz viel Natur und Neuem. 7 Städte in 14 Tage haben wir in Schottland besucht. Sind viel Bus gefahren, viel gelaufen und haben unendlich viele Sudokus und Rätsel gelöst. Haben die schönen Seiten gesehen, wie Inverness und Edinburgh und auch die für uns weniger schönen, wie Glasgow und Aberdeen. Es war einfach eine nötige Veränderung des Blickwinkels. Weg von Skype-Abenden und unruhigen Nächten dank Kindergeschrei, hin zu „rund-um-die-Uhr“-Zusammensein und Grillenzierpen. Auch, wenn der Blick manchmal von verschimmelten Duschvorhängen zu Schimmel an den Fenstern wanderte, hat sich all das gelohnt. Es hat mich wieder runtergeholt und hat mir gezeigt, wie sich Langeweile anfühlt. Und das habe ich gebraucht. Rauskommen, kaum Kontakt zu haben mit anderen Menschen und einfach die Umgebung zu genießen. Manchmal ist Reisen genau der richtige Tapetenwechsel, um sich dann wieder noch mehr auf Zuhause zu freuen – und auf schimmelfreie Duschvorhänge!

von Yasemin Rittgerott

Ich brauche etwas Neues. Nein, ich will etwas Neues! Ich will, ich will, ich will! Ich male mir aus, wie alles sein könnte, wenn ich nur etwas ändern würde. Wie ich durch mein geordnetes Leben schreite, voller Motivation und Engagement. Ich werde meine Tage gut planen und mich jeden Tag nach Uni und Arbeit noch hinsetzten und lernen, oder aufräumen und putzen. Faul im Bett rumliegen und eine Serie nach der anderen schauen gibt es nicht mehr, oder nur noch ganz selten mal am Wochenende.
Damit ich auch nicht vergesse, wie mein neues Leben aussehen soll, klebe ich mir Zettelchen mit Neujahrsvorsätzen an meinen Spiegel und plane all die tollen Dinge, die ich dieses Jahr angehen werde. Nach zwei Wochenhabe ich zwei der vier Vorsätze vom Zettel gestrichen. Auf meinem Fußbodenstapeln sich die Klamottenberge und auch dass ich ehrlich, offen und furchtlos auf andere zugehen wollte, habe ich schon nach ein paar Tagen wieder vergessen.
Ja, ja, ich weiß, das ist nicht, was ich geplant hatte. Ich bin sauer auf mich, weil ich wieder nichts auf die Reihe bekomme. So einen richtig fetten Tritt in den Hintern hätte ich eigentlich jeden Tag aufs Neue verdient, denke ich mir, während ich auf meinem Bett sitze und das Chaos in meinem Zimmer betrachte. Das schlechte Gewissen nagt so heftig an mir, dass ichwirklich kurz davor bin aufzustehen und aufzuräumen, aber eben auch nur ganz kurz. Lieber schaue ich wieder auf den Bildschirm, kuschle mich in die Kissen und blende die ganze Unordnung aus, die langsam mein Leben unter sich begräbt.
Ich muss mir wohl oder übel eingestehen, dass es nicht so leicht ist, aus so krassen Gewohnheiten rauszukommen. Ich bin nun mal oft sehr unordentlich und faul. Aber wie heißt es so schön? Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. Auch, wenn das nicht von heut auf morgen geht. Die Klamottenberge auf dem Fußboden werden auf jeden Fall immer seltener, meistens schaffe ich es jetzt schon sie auf meinem Stuhl zu stapeln und sogar alle paar Tage wegzuräumen.
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