Mittwoch, 26. April 2017

Printseite April 2017 / Ich wollte dir nur mal eben sagen...


Foto: Mette Springer

von Hannah Springer 

Hey du,
wir kennen uns seit Jahren, begegnen uns beim Bäcker, an der Ampel in der Stadt oder einfach zwischendurch und trotzdem, trotzdem habe ich noch nie mit dir gesprochen. Ein kurzes Nicken, manchmal der Anflug eines Lächelns, aber das war`s. Wie oft habe ich mit mir gerungen, ganze Schlachten zwischen meinem Kopf und Herz ausgetragen und es sah teilweise sogar so aus, als ob mein Herz gewinnt - aber - du warst längst schon aus der Tür des Bäckers, über die Ampel oder einfach um die nächste Ecke. 
Viel zu lange überlegt, Chance verpasst und beim nächsten Mal der gleiche Kampf von vorne. Ich habe mich immer gefragt, ob es dir genauso geht. Ob du auch Schlachten austrägst oder zumindest darüber nachdenkst - wenigstens eine Sekunde? Was wäre, wenn ich es einfach wagen würde? Schließlich tut ein „Hallo“ doch wirklich niemandem weh. Doch wenn ich es einmal gesagt habe, antwortest du- bzw. eben nicht. Du könntest mich nicht hören, weil ich zu leise bin. Du könntest mich hören und ignorieren. Du könntest mich hören und antworten. Eine Chance von 1 zu 3 - nicht wirklich viel! Ein „Hallo“ verlässt meine Lippen. Eine kurze Stille, dann ein überraschtes „Hey“ zurück. Ein „Hey“, das an mich gerichtet ist. Ich verstumme. Noch nie hat das Herz die Schlacht gewonnen und ich die Gelegenheit gehabt über das Danach nachzudenken. Ich stammele irgendwas vor mich hin… Was rede ich hier überhaupt?
Ich wollte dir eigentlich nur mal eben sagen, dass ich dich echt sympathisch finde und dich gerne kennenlernen würde! 
Tagebucheintrag 33, 14.04.2017, Peine

von Tassia Weimann 

Du liegst mit dem Rücken auf der spiegelglatten Oberfläche. Durch die dicke Wolkenwand können dich die Sonnenstrahlen in dem trüben Wasser nicht erreichen. Du treibst. Und ich weiß, dass du das Gefühl hast, dass du gleich untergehst. Die Schwere zieht dich immer weiter hinunter. Dieses Gefühl hatte ich auch mal. 
Ich bin am Strand, wirbele den Sand um mich herauf, wenn ich mich im Kreis drehe. Die Arme nach oben gerissen, die Augen immer wieder geschlossen. Ich fühle mich leicht. Wenn ich die Augen öffne, blicke ich in all die verschiedenen Gesichter um mich herum. Ihre einzige Gemeinsamkeit ist das Lachen in ihren Herzen, das durch ihre Augen funkelt. Wir lassen die Schwere los. 
Und du hast das Gefühl alles läuft schief. Du könntest schon längst weiter sein, ein perfektes Leben haben. Die Ansprüche der Anderen lasten auf dir und all das, was du dir als dein größter Kritiker ohrenbetäubend laut selbst vorwirfst.
Ich sehe dich treiben und gehe einige Schritte ins Wasser hinein. Es ist kalt und ich will umdrehen. Die Leichtigkeit zieht mich gleichzeitig hinaus und treibt mich näher zu dir hinein. Es ist nur ein kleiner See, der dir selbst wie ein Ozean vorkommt. Bitte igle dich nach außen, denke ich, als ich dich fast erreicht habe. Du bemerkst mich. „Das ist viel zu kalt für dich, lass mich hier. Geh, ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.“ Ich sage nichts, komme näher. Lege meine warme Hand an deinen Rücken und gebe dir Auftrieb. „Ich bin da.“, sage ich und glaube, ein Zucken in deinen Mundwinkeln zu sehen.

von Lara Konrad 

Ich wollte dir nur mal sagen, dass ich dir nichts mehr zu sagen habe, obwohl da noch ziemlich viel ist, in meinem Kopf. Ich würde dir sehr gerne sehr viel sagen, alles erzählen, aber es ist besser, wenn wir das sein lassen und es endlich abschließen. Aber zuvor muss ich dir noch diesen Zettel unter der Tür durchschieben, denn ich wollte dir doch noch sagen, dass ich dich vermisse, nachts und wenn ich dort bin, wo wir immer waren. Und dass ich dir gerne mehr gesagt hätte, aber ich wusste nicht, wie, mir haben die Worte gefehlt. Und jetzt fehlt mir mit dir zusammen in diesem dritten Raum zu sein, in unserer Zwischenwelt, wo uns niemand etwas anhaben konnte, wo wir für immer waren. Ich wollte dir sagen, dass es mir Leid tut, dass wir nicht für immer waren, auch wenn ich das immer noch glaube, irgendwie. Ich wollte dir sagen, dass ich Angst habe, vor dem Leben und vor mir und ich weniger Angst hatte mit dir, aber das war auch angsteinflößend. Ich nicht weiß, was ich ohne dich machen soll. Ich wollte dir nur mal sagen, dass du immer da sein wirst und dass ich den Schlüssel stecken lasse, falls wir die Tür wieder aufschließen, irgendwann.

von Yasemin Rittgerott 

„Du bist toll.“ Ich sehe meinem Gegenüber tief in die grünen Augen und sehe den dort tief verankerten Zweifel sitzen. „Du bist toll!“, sage ich mit Nachdruck. Mein Gegenüber schließt die Augen und es wird schwarz um mich, mit diesen bunten Lichtflecken, die die Sonne durch die Lider wirft. Ich spüre den Zweifel an meiner Aussage, die Angst vorm Versagen und die Einsamkeit. Wie kann ich toll sein, wenn ich doch nie schaffe, was ich mir vornehme. Ich bin noch nicht über die ersten 10 Seiten von ‚An Unbearable Lightness of Being’ hinausgekommen und der April ist schon halb rum, wie soll ich so mein Ziel ein Buch pro Monat zu lesen erreichen? Ich habe so viele Freunde, und trotzdem finde ich nicht den einen, der länger als ein paar Wochen bei mir bleibt? Vorsichtig blicke ich wieder in den Spiegel und erwidere starr den schwermütigen Blick meiner Augen. Langsam breitet sich eine Wut in mir aus, kriecht mir die Kehle empor, bis sie aus mir herausbricht und schreit: „DU BIST TOLL!“ 
Erschrocken schauen mir die grünen Augen entgegen, weit aufgerissen. Dann wieder ganz langsam, wie zuvor die Wut, breitet sich Erleichterung in mir aus. Zuerst sehe ich sie in meinen Augen, dann spüre ich sie überall. Ich bin toll. 
„Du bist toll.“ sage ich mit einem breiten Grinsen und bemerke das Strahlen in meinen Augen. Die restlichen 310 Seiten wirst du auch noch schaffen. Erst das Buch und dann alles andere, was du dir vornimmst. Glaub deinen Liebsten, schau dich an und lache! Und sag es dir „Du bist toll!“ – jeden Tag.
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