Mittwoch, 16. September 2015

Printseite September 2015 / Kleinglück


von Jonas Gadomska

Ein altes Gesicht grinst mich von der Seite an. Obwohl ich versuche die Rentnerin zu ignorieren gelingt es mir nicht. Sie lächelt. „Na immer diese Kinder mit ihren modernen Handtelefonen, nich", sagt sie und runzelt die Stirn. „Ja haha, hallo", erwidere ich etwas verlegen. Ich habe es schon immer gehasst, wenn man mich morgens an der Bushaltestelle ansprach. Als hätte ich nicht genug damit zu kämpfen, wach zu bleiben. Sie dreht sich um und entfernt sich mit ein paar Schritten von der Haltestelle. In der Hoffnung ungestört weiterschreiben zu können, hole ich mein, in der Tasche versenktes, Smartphone hervor. Sie dreht sich um und kommt zurück. Schnell packe ich es wieder zurück in die Tasche. „Wie geht es Ihnen?", frage ich mit einem Lächeln im Gesicht. Stille... Nein, Stille vor dem Sturm. Sie fängt an zu erzählen. Schnell und undeutlich nuschelt sie meterlange Sätze. Ich nicke und bejahe etwas überfordert das ein oder andere "nich?". Minuten vergehen. Ich höre ihr zu und versuche das Gespräch möglichst kurz zu halten. Der Bus kommt und ich deute auf ihn. Sie steht da und lächelt mich an. Auf einmal umarmt sie mich und bedankt sich bei mir. Ich steige etwas verwirrt in den Bus und winke ihr zum Abschied. Im Bus sitzend wird mir langsam klar, dass sie nur jemanden zum Reden braucht. Ich freue mich, dass ich ihr helfen konnte.

von Tassia Weimann

Auf meinem Oberarm stapeln sich die Einkäufe, welche ich versuche möglichst elegant und ohne Unfälle bis zum Bäcker zu transportieren. Dort eher halbwegs grazil angekommen, stelle ich meinen Joghurt auf die Ablage, um mich erstmal zu sortieren, während ich neben mir einen älteren Mann fluchen höre. „Ich warte jetzt schon solange!“, schreit er der Frau hinter der Theke entgegen, die bereits hektisch versucht alle Kunden unter einen Hut zu bekommen. Ich schaue mir den älteren Mann mit Hut genauer an und verstehe nicht, warum der Mann erst einmal als offensichtlicher Rentner keine fünf Minuten Zeit hat und zudem der Frau noch mehr Stress bereiten muss. Als er wütend schnaubend seine Bestellung abgibt und der Frau die Tüte vom Tresen reist, bin ich an der Reihe. Ich strahle die Verkäuferin ermutigend an, während sie noch verständnislos und sichtlich gestresst ihren Kopf schüttelt. Sie beschwert sich noch leise über den alten Mann, um sich selbst etwas zu beruhigen. Als ich meine Bestellung abgegeben habe, huscht sie mit einem „Einen Moment“ an der Theke entlang. „Ich habe Zeit!“, sage ich ihr möglichst beruhigend und mit einem Augenzwinkern. „Ach, wenn alle Kunden nur wie Sie wären! Dann wäre alles viel schöner!“, sagt sie, als sie mir meine Tüte hinüberreicht. Leicht überrascht von ihren lieben Worten, lächele ich sie noch breiter an. Ich wünsche ihr noch einen schönen Tag und verlasse den Supermarkt. Noch Wochen später freue ich mich über ihre herzlichen Worte, obwohl ich ihr doch nur den Stress nehmen wollte. Und bin davon überzeugt, dass, wenn man anderen Menschen versucht zu helfen, man bald etwas dafür zurückbekommt.
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