Samstag, 1. November 2014

Printausgabe November 2014 / Knopfgeschichten

von Elina Göhrmann

„So ein schöner Knopf“, wird Madame Taylor häufig angesprochen und die Leute zeigen dabei auf mich.
Meistens platze ich dann fast vor Stolz, aber das war nicht immer so.
Ich will euch eine Geschichte erzählen: Ich war damals noch ein kleiner Knopf, auch wenn ich meine endgültige Größe schon erreicht hatte. Schwarz und einfach war ich und hatte vier kleine Löcher in meiner Mitte. Als meine Mutter an eine nette Dame verkauft wurde, gab sie mir einen Rat mit auf den Weg: „Kind“, sagte sie. „Wenn du dir einen Schneider suchst, dann ist nur eines wichtig: Nimm dir keinen Stümper.“
Natürlich wusste ich damals alles besser: Niemals würde ich einen Stümper nicht von einem Naturtalent unterscheiden können. Und so kam es, wie es kommen musste. Eines Tages entdeckte ich einen Mann, nur wenige Schritte von meinem Schaufenster entfernt, der eine Nadel an seinem Hut stecken hatte. Glänzend präsentierte ich mich, legte meine Schokoladenseite nach oben und war mir sicher, dass er nicht an mir vorbeigehen konnte. Tatsächlich blieb er stehen. Und nur wenige Augenblicke später, wanderte ich mit einigen anderen Knöpfen von einer Hand in die seine.
In den nächsten Tagen wartete ich auf meinen Einsatz, der dann auch bald kam. Doch was war das? Mit einer viel zu großen Nadel fuhr mein Schneider immer und immer wieder durch meine Löcher, spannte den Faden, lockerte ihn wieder. Dann riss eben dieser und das Ganze ging von vorne los. Als ich endlich an dem Mantel angebracht worden war, war ich zerkratzt und fühlte mich überhaupt nicht mehr schön. Der Mantel ging an eine ältere Dame mit schneeweißer Dauerwelle, die freundlich redend die Ladenglocken bimmeln ließ. Ich versuchte mich so gut es ging in den Falten des Stoffes zu verstecken, um ihr nicht mein geschundenes Antlitz zu zeigen und so vergingen wieder ein paar weitere Tage bei ihr Daheim. Bis ich mich, wie schon geahnt, wieder vom Faden löste und klackend über den Fußboden rollte. Die alte Dame sah mich und hob mich auf. Ich hörte nur ihr Seufzen und schämte mich noch mehr. Und war ganz überrascht als ich in ihren Worten die meiner Mutter wiedererkannte. „Ach kleiner Knopf, du hast dir wohl einen Stümper als Schneider gesucht.“ Ehe ich mich versah, saß sie in einem Sessel, holte Kleber und eine Perle hervor und setzte sie mir auf meine Mitte. Von den Löchern war nichts mehr zu sehen – nur ein kleiner, schwarzer Rand lugte noch unter der Perle hervor. „Jetzt bist du schön“, sagte sie und schenkte mir ein Lächeln.
So hatte ich das Glück an Madame Taylor zu geraten, die ein Händchen für Veränderungen hatte. Und so gelangte ich an meinen Platz an ihrem dunkelblauen Hut, wo ich das Band ziere. Ihr seht: Es läuft nicht immer so, wie man am Anfang denkt, aber man kommt immer zu einem Ziel.

von Jonas Gadomska

„Das ist eine lange Geschichte", antwortete er. Ich mochte es, wenn LeBouton von seinen Erlebnissen erzählte. Es kam mir immer so vor, als würden uns seine Erzählungen die Pforte zur Ferne öffnen und die anderen Knöpfe hier im Nähkasten zurücklassen. Ich genoss es regelrecht ihm zu zuhören, obwohl ich manchmal an seinen fantastischen Geschichten zweifelte. „LeBouton?", fragte ich. Er lehnte sich gegen ein Wollknäuel. „Ah oui, lass uns beginnen!", versuchte er mit einem schlechten französischen Akzent zu sagen. „Nachdem mein Vetter DuBouton aus der Provinz Ouest-de-la-couture seine Cousine geheiratet hatte, ging es, wie damals üblich, auf eine traditionelle Schifffahrt. Da bei dieser Tradition nur die Herren der Bouton Familie teilnahmen und mein Vetter frisch vermählt war, befand sich die Stimmung auf dem Höhepunkt. Doch plötzlich ruckelte und polterte es. Wir liefen auf das Zwischendeck, um zu gucken was passiert war. Knopffressende Riesenwollknäuel. Nachdem ich meine Waffe gezuckt hatte um mutig in die Schlacht zu ziehen, waren alle Boutons schon von den Knopffressern verschlungen worden. Der Gefahr bewusst, stürzte ich mich in die Schlacht", nun schwieg er. „Und dann, LeBouton, was war dann?“, frage ich ihn bestürzt. „Dann? Öhm, ja dann gewann ich und rettete meine Familienmitglieder, überlebte ein Schiffsunglück und die großen Knopfkriege." Erschöpft sackte er zurück.  „Danke LeBouton!", sagte ich und legte mich hin.

von Yasemin Rittgerott

In den langen Jahren meines kleinen Knopfdaseins, war icheigentlich immer sehr zufrieden. Die Familie in der ich als Erbstück immer an die älteste Tochter weitergegeben werde, hat mich immer gut behandelt. Zwar habe ich noch nie ein Kleidungsstück geziert, aber ich habe das Gefühl, das könnte sich bald ändern. Seit kurzem bin ich im Besitz von Shaniqua. Noch versteckt sie mich in einem mit Samt ausgeschlagenen Kästchen unter ihrem Bett, aber ich weiß, sie hat großes mit mir vor. Ich habe lange gewartet und gehofft, dass ich eines Tages eine große Aufgabe erfüllen würde. Und nun ist es bald soweit. Seit Wochen näht Shaniqua nun schon an diesem wundervollen Cape. Es ist aus diesem seidig, fließenden Stoff, der diesen silbernen Schimmer trägt. Es ist für die Prinzessin bestimmt und ich soll es zusammenhalten. Wenn ich daran denke, werde ich ganz aufgeregt. Was für eine Ehre, dafür hat sich das Warten wirklich gelohnt. Schon ein paar Mal hat Shaniqua mich hervorgeholt und mich an das Cape geheftet, um zu schauen, ob schon alles passt. Aber bis heute gab es immer noch etwas zu verbessern. Doch jetzt hat sie eine Nadel mit einem ebenso silbern schimmernden Faden, wie das Cape, in der Hand und ich weiß, es ist so weit. Als ich endlich festsitze, strahle ich mehr, als je zuvor. Besser kann es doch keinen Knopf treffen!
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