Mittwoch, 14. Mai 2014

Printausgabe Mai 2014 / Leidenschaft

von Elina Göhrmann

Morgen müsste sie den Aufsatz als Hausaufgabe abgeben – ihr graute es schon davor, ihn benotet zurückzubekommen. Schließlich hatte er kein Ende und wenn es so weiterging wie bisher, dann würde da auch keins mehr hinkommen. Müde las sie noch einmal die Aufgabenstellung durch: „Schreibe einen Aufsatz, indem du entlang eines roten Fadens erklärst, warum dein Lieblingsbuch dein Lieblingsbuch ist. Vergesse nicht kritisch an das Werk heranzugehen.“
Die Gründe, warum gerade „Der kleine Prinz“ ihr Lieblingsbuch war, standen schon ordentlich aufgeschrieben auf einer knappen Seite, doch an die Kritik kam sie einfach nicht heran. Es war, als würde ein unsichtbarer Spiegel sie jedes Mal wieder an den Anfang reflektieren. An einen Anfang, wo grob gesagt einfach stand, dass das Buch fantastisch war und damit eigentlich alles aussagte. „Es gibt immer Kritik“ hörte sie die Stimme ihrer Lehrerin Frau Schmidt in ihrem Kopf. Missmutig starrte sie auf ihren Aufsatz. Konnten sich die Worte nicht von selbst schreiben?
Das Buch war eine ihrer Leidenschaften: Sie konnte stundenlang darüber reden, darüber nachdenken, es tausendfach lesen und als Hörbuch hören. Und es wurde ihr einfach nie langweilig. „Was ist schlecht an diesem Buch?“ hörte sie ihr eigenes Gemurmel. Und eh' sie sich versah, war sie schon wieder am Anfang angekommen, indem in ihrem Kopf nur noch die Frage, was schlecht an einer Leidenschaft sei, herumgeisterte. Dazu fiel ihr ein Zitat ein, welches sie kurzerhand in einen Kritikpunkt verfasste. Das einzige Ende, was sie hierzu hinbekommen würde. „Oscar Wilde meinte einmal: „Leidenschaft verleitet dazu, im Kreis zu denken“ und deswegen gibt es meiner Meinung nach nichts, was ich kritisch an diesem Werk beurteilen könnte. Es ist meine Leidenschaft und der Kreis beginnt und endet immer wieder damit, dass es einfach toll ist.“ Mal sehen, was Frau Schmidt morgen dazu sagen würde – vielleicht gab es ja Extrapunkte für Kreativität?

von Yasemin Rittgerott

Wenn an besonders schönen Sommertagen, die Sonne gnadenlos vom Himmel knallt und dabei auf die Meeresoberfläche trifft, dann entsteht da dieses wundervolle Glitzern. An dieses Glitzern muss ich denken, wenn ich in deine Augen schaue. Doch deine Augen brauchen kein direktes Sonnenlicht, es ist mehr der Gedanke an Sonne, Mond und Sterne und Planeten und Asteroiden und was es sonst noch in unserem Universum zu finden gibt, dass dieses Strahlen bei dir hervorruft.
Mit 7 Jahren bekamst du von deinem Großvater dein erstes kleines Teleskop geschenkt, nachdem du nach einem Ausflug ins Planetarium gar nicht mehr aufhören konntest, von den Sternbildern zu erzählen, die du dort kennengelernt hattest. Stundenlang heftetest du daraufhin deine Augen an den Nachthimmel.
Heute Nacht schauen wir nur auf meinen Computer Bildschirm, auf dem du mir Bilder vom Nachthimmel und Videos von Raketenstarts zeigst. Ich bin mit meinen Gedanken zwar auch oft nicht wirklich hier auf der Erde, aber für Astronomie habe ich mich noch nie interessiert. Auch jetzt ist es nicht wirklich Begeisterung, die ich spüre. Es ist ein Kribbeln auf der Haut, als sei deine Leidenschaft für ferne Galaxien von deiner so dicht neben meiner liegenden Hand übergesprungen. Je mehr du mir zeigst und dazu erzählst, desto mehr wenden sich meine Augen vom Bildschirm ab und hängen an deinen Lippen. An deinen Mundwinkeln, die sich so freudig verziehen, wenn du ein weiteres Bild anklickst. Es ist so offensichtlich wie sehr du brennst, für dieses Thema. Wie dich die Sehnsucht antreibt. Ich wünschte, ich würde dieses Prickeln, welches anscheinend ständig in dir ist, und ich an diesem Abend auch erfahren durfte, auch schon so gezielt für etwas fühlen.

von Tassia Weimann

Ich habe das Gefühl ich verliere sie. Die Leidenschaft, das Feuer, das einen antreibt und einen nach immer mehr streben lässt. Was mich den anstrengenden Weg über die Treppen steigen lässt. Stattdessen sitze ich da und warte im kühlen Grass darauf, dass irgendetwas passiert. Dass ich Lust habe wundervolle Poetry Texte zu schreiben oder mit dem Zeichnen anzufangen. Oder mit dem Joggen. Oder mich meinen Do-it-yourself Projekten zu widmen, die schon lange feinsäuberlich auf der To-Do-Liste stehen. Und da bleiben sie, wie ich im Grünen sitzen und versauern. Ich weiß nicht, wo ich auf der Strecke zwischen stundenlang im Garten Pferd spielen oder Malen stecken geblieben bin in der Leidenschaftslosigkeit. Denn früher war es oft einfacher sich auf eine Sache einzulassen. Völlig darin aufzugehen. Und jetzt sitze ich da und weiß nicht wirklich, was meine Leidenschaft ist. Vielleicht das Singen, was ich aber seit dem Abitur auch nicht mehr betreibe. Oder das Schreiben, welches ich nicht mehr auf großes Bühnen vortragen möchte. Es fehlt mir der Antrieb.
Und dann stehe ich plötzlich in diesem Laden. Vollgestopft mit Liebe. Mit winzigen selbstgemachte Sache, die alle mit Herz entstanden sind. Von Hängeschränken bis kleinen Stempeln. Von Taschen bis Basteltüten. Und ich merke, wie mein Feuer entfacht wird. Das will ich auch. Etwas mit den eigenen Händen erschaffen und stolz darauf sein. Auch wenn es nur ein Briefumschlag ist. Und ich gehe nach Hause und fange endlich an. Nehme die Treppe mit gleich zwei Stufen auf einmal. Habe plötzlich wieder Lust kreativ zu sein. Zu basteln, zu schreiben und zu singen.
Es brauchte nur ein wenig Leidenschaft von anderen, um mich zu begeistern und gefangen zu nehmen. Meine Leidenschaft hat mich zurück.
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