von Elina Göhrmann
„Jetzt bleib doch einfach mal einen Augenblick ernst!"
Meine Mutter hatte schon wieder die Falte auf der Stirn, die immer auftaucht,
wenn sie ungeduldig wird, doch irgendwie konnte ich nicht ruhig bleiben. Ich
hatte es wirklich versucht, ruhig auf dem Stuhl zu sitzen, leicht zu lächeln
und zu warten, dass die Fotografin schnell das gewünschte Foto machte - doch
Felix stand draußen vor dem Fenster und zog Grimassen. Und natürlich verschwand
er blitzschnell, wenn meine Mutter sich umdrehte, was meinen Lachanfall nicht
unbedingt verbesserte. Ich schaute zur Kamera. Die Fotografin war eindeutig
geduldiger als meine Mutter und lächelte mir aufmunternd und auch leicht
erheitert zu. Bloß nicht zu Felix gucken, sagte ich mir in Gedanken. Guck bloß
nicht hin. Doch irgendwie huschten meine Augen wie von selbst zu ihm. Felix
schielte - meine Mundwinkel zuckten schon wieder gefährlich. Dann machte er
dazu noch große Augen - ich kniff meine Lippen zusammen, um das sich bildende
Lachen zurückzudrängen. Felix machte einen Fischmund und vorbei war es mit
meiner Ernsthaftigkeit. Kichernd hielt ich mir meinen Bauch, der langsam schon
anfing weh zu tun. Meine Mutter schaute mich genervt an. „Maria..." Die
Fotografin eilte zu meiner Rettung, denn selbst der drängende Tonfall meiner
Mutter änderte nichts daran, dass Felix mir gerade die Zunge herausstreckte und
mein Kichern sich verschlimmerte. „Ach Frau Seidel, sie wissen doch wie
siebenjährige Mädchen sind. Wir bekommen das bestimmt gleich hin." Und
wirklich - nach ein paar Minuten und einigen Lachanfällen hatte Felix seine
Grimassenkenntnisse verbraucht und stand ratlos herum. Das Lächeln gelang jetzt
endlich und nach einigem Aufblitzen war das Foto im Kasten. Schnell sprang ich
auf und rannte nach draußen. „Ich kenne noch viel mehr Grimassen als du
Felix!"
von Jonas Gadomska
Montags Training und Indianer, dienstags Nachhilfe,
mittwochs tanzen, eine mündliche Prüfung hier und ein dreiwöchiges Praktikum
dort. Mein Terminkalender ist voll, das war nicht immer so. Früher kannte ich
keinen Alltagsstress und keinen Wettbewerbsdruck. Ich lebte in den Tag, hatte
keine Pläne für morgen, ging einfach so in den Wald oder raus spielen. Heute
kann ich mir das gar nicht mehr vorstellen, es ist halt nicht mehr so wie
früher. Jetzt muss man sich schon als Jugendlicher an das Alltagsleben der
Erwachsenen anpassen, hart für die Zukunft arbeiten und dem ständig steigenden
Wettbewerbsdruck standhalten. Dennoch genieße ich die Pausen. Die Pausen in
denen ich zum Fußball mit dem Fahrrad fahre, in denen ich zur Bushaltestelle
hüpfe – Die Pausen in denen ich mich fühle wie früher. Es wird ernst, aber das
hält mich nicht vom Spaß ab!
von Tassia Weimann
Wir sitzen
im Garten meiner Tante und grillen, als jemand misstrauisch auf meinen
Teller blickt. „Ist das Tofu?!“ „Ja, Sojabratwürstchen…“, sagte ich knapp, um
dem folgenden Gespräch auszuweichen, welches sich immer ergibt. „Bist du etwa
Vegetarierin?“ „Ja“. Ich bin ja schon froh, dass ich nicht vegan esse, sonst
wäre der skeptische Blick jetzt noch intensiver. „Ja, aber wir waren ja schon
früher Jäger und Sammler…“, fängt der Mann an mit seinem Monolog, dem ich nur
noch mit halbem Ohr folge. Jedes Mal, wenn ich dieses „Gespräch“ führe, denke
ich mir so „ernsthaft?!“. Ich sitze ja auch nicht dort und rede das gute Steak
schlecht. Immerhin hat der gute Mann sich später auch noch nach meinen
Beweggründen erkundigt. Aber erst viel später fallen mir die wirklich
guten Argumente ein, die ich dagegen hätte setzen können. Nicht immer die
gängigen, wie die Massentierhaltung, sondern sowas wie „Früher haben die Leute
ihre Tiere auch noch selbst getötet und ausgenommen!“ Aber will ich das? Will
ich mich ständig dafür rechtfertigen, warum ich etwa nicht esse? Es wäre
eindeutig einfacher, wenn ich eine Fleischallergie oder so hätte, dann würde
niemand nachhaken.
Aber manche
tun das auch so oder so nicht. Sie sitzen lieber wie an Silvester dort und
erklären sich gegenseitig, warum sie Fleisch essen. Gut 10 Minuten fanden sie
andere Formulierungen für „Ich esse Fleisch, weil ich eben Fleisch esse“.
Punkt. Irgendwann wanderte der Blick zu mir, um ein kurzes „Ach du bist
Vegetarierin?“ rauszubringen, welches ich durch Nicken versuchte so unauffällig
wie möglich zu bejahen. Ich wartete auf die üblichen Fragen, wie „Wie lange
machst du das schon?“ oder „Warum?!!!“, aber es kam nichts. Und ich blickte nur
skeptisch zu Ihnen rüber und dachte „Warum rechtfertigt ihr euch gerade selber
vor Gleichgesinnten? Macht ihr das auch jedes Mal, wenn ihr bei MC Donalds oder
im Restaurant etwas bestellt? Das ist doch Schwachsinn!“
„Leben und
leben lassen“, denke ich immer wieder. Nur ich nehme es halt noch eine Spur
ernster.
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