von Tassia Weimann
Ich stehe am Bahnhof in Solothurn in der Schweiz
und warte. Warte darauf, dass die Sehnsucht endlich kurzzeitig ein Ende findet.
Warte darauf, dass ich dich endlich in die Arme schließen kann. Warte. Auf
dich. Mein Herz schlägt bis zum Anschlag. Der kalte Februarwind lässt meinen
Kopf noch tiefer in den Kragen wandern. Jede Minute kommt mir so unendlich lang
vor.
Wir waren noch nie solange getrennt. Zwei Monate,
in denen wir uns nur per Skype sehen konnten. In denen Umarmungen,
Berührungen, Alltag fehlten. In denen ich die Sehnsucht lieber wegdrückte,
als sie gewinnen zu lassen. Da sie sich anfühlte wie ein riesiger Tumor, der
vom Hals bis in den Bauch reichte. Und jedes Mal, wenn ich an dich dachte,
meine Organe wegdrückte, so dass mir schlecht wurde. Sehnsucht ist verdammt
nochmal ein schreckliches Gefühl.
Doch nun hat sie ein Ende. Als der Zug einfährt,
wandert mein Blick den Bahnsteig hinauf und hinab. Wo bleibst du? Plötzlich
stehst du hinter mir und meine Gefühle fahren Achterbahn. Du bist hier. Ich
falle dir in die Arme.
Ich bin so aufgeregt, dass ich mich überschlage
beim Reden. Ich muss dir alles erzählen. Muss dir die Stadt zeigen. Den Weg,
den ich immer fahre, um in das kleine Dorf zu kommen, wo ich nun lebe. Muss dir
von meiner Gastfamilie erzählen, den Kindern, wie unser heutiger Morgen so war.
Dass wir sogar nachher ein paar Stunden kinderlos sind. Zeit für uns haben
werden.
Ich werde erst ruhiger, als ich merke, dass sich
nichts verändert hat. Wir sind immer noch wir. Und das wird wahrscheinlich auch
bis zu unserem nächsten Wiedersehen in drei Monaten so bleiben. Wir schaffen
das. Und ganz langsam verschwindet mein Schein-Tumor und lässt Platz fürs
Glücklich sein.
von Yasemin Rittgerott
„Aufwachen, du Schlafmütze. Guck mal, wo wir sind.“
Müde reibe ich mir die Augen. Vom Beifahrersitz grinst meine Mutter mich an.
Und tatsächlich da draußen ist Peine. Dass ich gleich wieder zu Hause sein
werde, bedeutet auch, wieder im eigenen Bett schlafen zu können, denke ich mir,
während ich ziemlich doll gähnen muss. Auch, wenn ich während der Reise
ziemlich viel geschlafen habe, steckt mir die ca. 10 stündige Fahrt von England
nach Deutschland doch in den Knochen.
Als wir dann durch unsere Straße auf unser Haus zu
fahren, sauge ich trotzdem die Umgebung in mir auf. Es fühlt sich surreal an,
wieder hier zu sein. Und doch ist alles so vertraut. Außer vielleicht der junge
Typ da am Gartentor meiner Nachbarn:„Mami, ist das nicht Lennart da vorn?“
„Wer? Wo? Nein, da hast du dich verguckt, das war nicht Lennart.“, antwortet
meine Mama mir etwas zu schnell. Und als meine Schwester mir, kaum, dass ich
aus dem Auto gestiegen bin, mit den Worten „Komm mit in den Garten, Omi und Opi
sind auch hier.“, um den Hals fällt, kann ich mir schon fast denken, dass im
Garten noch ein paar mehr Leute auf mich warten. All die vertrauten, lächelnden
Gesichter lassen meine Müdigkeit dann schnell verschwinden. Ein wohliges Gefühl
macht sich in mir breit, dass die Aufregung aber nicht ganz verdrängen kann.
Ich will allen von meinem Jahr erzählen und gleichzeitig aber auch hören, was
ich alles so in der Heimat verpasst habe. Ein bisschen planlos bin ich mal hier
und da, versuche in kürzester Zeit mit so vielen Leuten wie möglich so viel wie
möglich zu sprechen und merke sofort, dass ob wohl ein Jahr vergangen ist und
wir uns alle unabhängig voneinander verändert habe, immer noch die Vertrautheit
gegenüber dem Neuen und Fremden überwiegt.
Nachdem ich spät die letzten Gäste, zu denen auch
Lennart, der Überraschungscrasher zählt, zum Gartentor begleitet habe, mache
ich mich schnell auf den Weg in mein Bett, in dem ich sehr glücklich und
erleichtert in einen tiefen Schlaf falle.
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