Mittwoch, 15. Februar 2017

Printseite Februar 2017 / Verkleidet


Foto: Mette Springer

von Hannah Springer

Sie steht vor dem Spiegel im Bad, in ihrem Kopf dröhnen noch die Bässe nach. Nicht einmal 40 Minuten ist es her, dass Sie zu diesen, im Kreis ihrer Mädels, getanzt hat. Alle perfekt gestylt, in den gleichen kurzen Kleidern und hohen Schuhen. Sie und eine Freundin hatten sich auf Drängen einer Anderen noch Locken gemacht. Diese wollte bitte nicht die Einzige mit gelockten Haaren sein. Was für ein Aufwand!
Sie seufzt leise. Endlich Ruhe denkt Sie und entfernt die falschen Wimpern von den Lidern. Zweimal ein kurzes Ziehen, dann hat sich der Kleber gelöst. Jedes Mal erschrickt Sie, wenn Sie anschließend in den Spiegel schaut. Was so ein paar zusätzliche Wimpern für einen Unterschied machen können! Im Alltag würde Sie niemals zu solchen Dingern greifen, aber zum Weggehen gehören sie irgendwie dazu. Schließlich machen das alle ihrer Freundinnen. Langsam fährt Sie mit dem Wattepad über ihre zusammengekniffenen Augen, der Makeup-Entferner brennt wie immer. Sie blinzelt den Schmerz weg. Zurück bleibt nur die schwarze Schmiere der Mascara. Wie ein Zombie sieht Sie jetzt aus. Nichts ist von dem frischen, aufwendig gemalten Augen-Makeup übrig, stattdessen schimmern nun deutlich ihre Augenringe durch. Die letzten Tage waren wirklich anstrengend, aber das hat zum Glück heute keiner gemerkt - es konnte ja auch keiner bemerken! Ein letztes Mal Atem anhalten und unter den kühlen Wasserstrahl des Hahns eintauchen. Endlich, es ist geschafft. Die Schichten Makeup sind verschwunden und Sarah erkennt sich selbst wieder im Spiegel.

von Jonas Gadomska

Der Rauch seiner Zigarette hüllt den kargen Raum in trübes grau. Die kleine Schreibtischlampe, welche er provisorisch als einzige Lichtquelle nutzt, schränkt seinen umherwandernden Blick ein. Ein Stuhl. Ein kleiner Tisch. Ein Regal und das Bett auf dem er sitzt. All diese Möbelstücke hat er schon ewig - ja er kann sich gar nicht mehr an die Zeit ohne sie erinnern. Seine Erinnerungen waren generell sehr trüb. Nur noch Bruchstücke, die er versuchte im Klaren zu ertränken. Als hätte man ihm seine Gedanken geklaut und verkauft. So wie man es mit seinen Ideen und seiner Familie getan hatte. Er atmet tief durch. Alles war verloren - bis zu diesem einen Tag, an dem man ihm seine Hoffnung gab. Er lächelt ironisch und denkt, dass er seine Geschichte an ein Unternehmen verkaufen könnte: Ein Mann der alles verliert und dann als Clown in einem Kinderhospital arbeitet. Morgens gut gelaunt kleine Kinder unterhalten, ihnen Hoffnung geben. Und abends? Abends alleine in einem dunklen Zimmer sitzen und selber nicht wissen, was Hoffnung ist. Daraus könnte man eine Zigarettenwerbung machen. Einen Spot der DKMS. Oder eine Werbung für Versicherungen, die sich um die ,,kleinen Helden des Alltags” kümmert. Auf jeden Fall weiß er, dass er kein Geld braucht und seine Geschichte niemand hören soll - er hat schließlich sein Kostüm.

von Tassia Weimann

Aufgeregt läuft er durch seine Wohnung, nimmt die Kisten vom Kleiderschrank. Der Staub kitzelt in seiner Nasenspitze. Ein bisschen Wehmut macht sich breit, als er den Staub von dem Karton wischt. Alle Jahre wieder. Aber es ist keine Zeit für Grübeleien. Heute einmal nicht. Mit der Schachtel unter dem Arm geht er ins Schlafzimmer zu seinem Schminktisch. Es wird ein guter Tag.
Luftschlangen springen durch die Luft. Ein paar Bonbons treffen ihn auf die Schulter. Er bemerkt es kaum. Er ist viel zu beschäftigt er selbst zu sein. Unter den vielen Masken, Hüten und Tütüröcken fällt er nicht auf. Obwohl die hohen Schuhe ihn einige Köpfe größer machen als die Menge um ihn herum. Seine Freunde drängen sich zu ihm durch. Sie lachen – so hätten sie ihn ja noch nie gesehen. Jeder Spruch versetzt ihm einen kleinen Stich, den er gekonnt weglächelt. Sich zu verstecken, hat er die letzten Jahre gelernt.
Inmitten der Party hat er sich auf die Couch verzogen. Sein Drink macht auch nicht das, was er soll. Die Gedanken sollen verschwinden. Er will glücklich sein. Jetzt. Doch immer wieder schleichen sie wie Schlangen in seinen Kopf und ziehen sich wie eine Schlinge zusammen. Madeleine drängt sich zwischen die verkleideten Körpermassen zu ihm durch. Sie schaut ihn an. „Du siehst schön aus!“, sagt sie und guckt ihm direkt in die Augen. Er hat das Gefühl, sie kann jeden seiner Gedanken lesen. Sie lächelt aufrichtig. „Danke.“, sagt er erleichtert und drückt sie an sich. Seine Augen glitzern.

von Elina Göhrmann

Alle Jahre wieder steht einer aus unserer Skitruppe auf der Piste und fragt: „Wo sind denn schon wieder die Kinder?“ oder „Wo ist sie langgefahren? Ich sehe ihre schwarze Jacke nirgends.“ Das geht jetzt schon einige Jahre so. Die Skijacken haben zum Teil gewechselt und es wird jedes Mal aufgezeigt, wo man langfährt. Es hat alles nichts gebracht. Jetzt haben wir „Kinder“ eine Mission: Auffallen. Um jeden Preis. Natürlich nur, damit wir uns nicht im Skigebiet verlieren. Also haben wir uns etwas überlegt – was fällt mehr auf als Kostüme? Genau, nichts. Also haben wir keine Zeit verloren und sie bestellt. Nächstes Jahr fahren also ein Tiger und eine Giraffe die Pisten runter. Die kann man ja wohl nicht mehr übersehen!

von Niklas Stuhr

Obwohl es ein sehr simples Wort ist, hat es doch viele Facetten. Die Vorderseite eines Hauses kann verkleidet sein, Kinder und Erwachsene zugleich verkleiden sich an Fasching oder Halloween und im Theater trägt man auch Verkleidung. Sieht man es negativ, könnte es auch etwas wie verschleiern meinen. Trägt doch das Gesicht einer Marketingmaschinerie, egal welcher Art, auch eine Maske und wäre somit als verkleidet zu identifizieren. Am meisten verkleidet sind die Leute wohl mittlerweile auf den sozialen Medien. Jeder will sich von seiner besten Seite zeigen, um Anerkennung und Bestätigung zu ernten und setzt jede geeignete Situation seines Lebens in Szene. Auch wenn es nur etwas Banales ist, wie das abendliche Mahl. Man könnte sagen, das eigene Leben wird verkleidet. Natürlich kriegt es das schönste Kostüm, das man sich vorstellen kann.
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