Foto: Mette Springer |
von Hannah Springer
Sie steht vor dem Spiegel im Bad, in ihrem Kopf dröhnen noch
die Bässe nach. Nicht einmal 40 Minuten ist es her, dass Sie zu diesen, im
Kreis ihrer Mädels, getanzt hat. Alle perfekt gestylt, in den gleichen kurzen
Kleidern und hohen Schuhen. Sie und eine Freundin hatten sich auf Drängen einer
Anderen noch Locken gemacht. Diese wollte bitte nicht die Einzige mit gelockten
Haaren sein. Was für ein Aufwand!
Sie seufzt leise. Endlich Ruhe denkt Sie und entfernt die
falschen Wimpern von den Lidern. Zweimal ein kurzes Ziehen, dann hat sich der
Kleber gelöst. Jedes Mal erschrickt Sie, wenn Sie anschließend in den Spiegel
schaut. Was so ein paar zusätzliche Wimpern für einen Unterschied machen
können! Im Alltag würde Sie niemals zu solchen Dingern greifen, aber zum
Weggehen gehören sie irgendwie dazu. Schließlich machen das alle ihrer
Freundinnen. Langsam fährt Sie mit dem Wattepad über ihre zusammengekniffenen
Augen, der Makeup-Entferner brennt wie immer. Sie blinzelt den Schmerz weg.
Zurück bleibt nur die schwarze Schmiere der Mascara. Wie ein Zombie sieht Sie
jetzt aus. Nichts ist von dem frischen, aufwendig gemalten Augen-Makeup übrig,
stattdessen schimmern nun deutlich ihre Augenringe durch. Die letzten Tage
waren wirklich anstrengend, aber das hat zum Glück heute keiner gemerkt - es
konnte ja auch keiner bemerken! Ein letztes Mal Atem anhalten und unter den
kühlen Wasserstrahl des Hahns eintauchen. Endlich, es ist geschafft. Die
Schichten Makeup sind verschwunden und Sarah erkennt sich selbst wieder im
Spiegel.
von Jonas Gadomska
Der Rauch seiner Zigarette hüllt den kargen Raum in trübes grau. Die kleine Schreibtischlampe, welche er provisorisch als einzige Lichtquelle nutzt, schränkt seinen umherwandernden Blick ein. Ein Stuhl. Ein kleiner Tisch. Ein Regal und das Bett auf dem er sitzt. All diese Möbelstücke hat er schon ewig - ja er kann sich gar nicht mehr an die Zeit ohne sie erinnern. Seine Erinnerungen waren generell sehr trüb. Nur noch Bruchstücke, die er versuchte im Klaren zu ertränken. Als hätte man ihm seine Gedanken geklaut und verkauft. So wie man es mit seinen Ideen und seiner Familie getan hatte. Er atmet tief durch. Alles war verloren - bis zu diesem einen Tag, an dem man ihm seine Hoffnung gab. Er lächelt ironisch und denkt, dass er seine Geschichte an ein Unternehmen verkaufen könnte: Ein Mann der alles verliert und dann als Clown in einem Kinderhospital arbeitet. Morgens gut gelaunt kleine Kinder unterhalten, ihnen Hoffnung geben. Und abends? Abends alleine in einem dunklen Zimmer sitzen und selber nicht wissen, was Hoffnung ist. Daraus könnte man eine Zigarettenwerbung machen. Einen Spot der DKMS. Oder eine Werbung für Versicherungen, die sich um die ,,kleinen Helden des Alltags” kümmert. Auf jeden Fall weiß er, dass er kein Geld braucht und seine Geschichte niemand hören soll - er hat schließlich sein Kostüm.von Tassia Weimann
Aufgeregt läuft er durch seine Wohnung, nimmt die Kisten vom
Kleiderschrank. Der Staub kitzelt in seiner Nasenspitze. Ein bisschen Wehmut
macht sich breit, als er den Staub von dem Karton wischt. Alle Jahre wieder.
Aber es ist keine Zeit für Grübeleien. Heute einmal nicht. Mit der Schachtel
unter dem Arm geht er ins Schlafzimmer zu seinem Schminktisch. Es wird ein
guter Tag.
Luftschlangen springen durch die Luft. Ein paar Bonbons
treffen ihn auf die Schulter. Er bemerkt es kaum. Er ist viel zu beschäftigt er
selbst zu sein. Unter den vielen Masken, Hüten und Tütüröcken fällt er nicht
auf. Obwohl die hohen Schuhe ihn einige Köpfe größer machen als die Menge um ihn
herum. Seine Freunde drängen sich zu ihm durch. Sie lachen – so hätten sie ihn
ja noch nie gesehen. Jeder Spruch versetzt ihm einen kleinen Stich, den er
gekonnt weglächelt. Sich zu verstecken, hat er die letzten Jahre gelernt.
Inmitten der Party hat er sich auf die Couch verzogen. Sein
Drink macht auch nicht das, was er soll. Die Gedanken sollen verschwinden. Er
will glücklich sein. Jetzt. Doch immer wieder schleichen sie wie Schlangen in
seinen Kopf und ziehen sich wie eine Schlinge zusammen. Madeleine drängt sich
zwischen die verkleideten Körpermassen zu ihm durch. Sie schaut ihn an. „Du
siehst schön aus!“, sagt sie und guckt ihm direkt in die Augen. Er hat das
Gefühl, sie kann jeden seiner Gedanken lesen. Sie lächelt aufrichtig. „Danke.“,
sagt er erleichtert und drückt sie an sich. Seine Augen glitzern.
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