von Yasemin Rittgerott
„Home ist
where your heart ist.“ Dieser ständig überall auftauchende Satz, ist in meinen
Augen nicht ganz richtig. Ich habe Teile meines Herzens an viele Leute vergeben,
an vielen Orten zurückgelassen. Bei diesen Leuten oder an diesen Orten gefällt
es mir, dort fühle ich mich wohl. Aber ‚zu Hause’ bedeutet für mich noch mehr.
Zu Hause bedeutet den Kühlschrank zu öffnen und nicht erst schauen zu müssen,
was so da ist, sondern zu wissen, dass ich gestern noch daran gedacht habe Joghurt zu kaufen, den ich gleich mit meinem Lieblingsmüsli frühstücken werde. Zu
Hause muss ich in keinem Koffer wühlen und hoffen, dass ich mein
Lieblingsoberteil auch wirklich eingesteckt habe – es ist entweder im Schrank
oder in der Wäsche - meistens eher letzteres.
Nach dem
Abitur und mit dem Auslandsaufenthalt kam schnell die Frage auf, wo ich eigentlich
zu Hause bin. Mein altes Kinderzimmer war ziemlich leer zurückgeblieben, hatte ich
doch ausgemistet und all meinen wichtigen Kram mitgeschleppt. Und spätestens als
ich vor Unibeginn knapp drei Monate wieder in dieses Zimmer einzog, wurde mir
klar, dass aus zu Hause, Heimat geworden war. Ich war einmal ausgezogen und
irgendwie gab es kein Zurück mehr, ich war zum Besucher in meinen eigenen vier Wänden
geworden. Der endgültige Auszug in eine andere Stadt machte auch dieses Gefühl
endgültig. Weder mein altes Zimmer, noch das Haus, in dem ich den Großteil
meiner Jugend gelebt hatte, gibt es noch für mich. Komme ich in die Heimat
komme ich bei Großeltern, Eltern oder Freunden unter, schlafe in Gästezimmern,
geteilten Betten oder auf dem Boden, immer nur kurz zu Besuch. Nach dieser Zeit
kehre ich dann zurück zu meinem zu Hause, dort wo ich den Kühlschrank fülle,
meine Wäsche wasche und mein eigenes kleines Chaos beherrsche. Die Teile meines
Herzens mögen überall verteilt für meine Lieben und meine liebsten Orte
schlagen, aber hier, hier schlägt es nur für mich.
von Jonas Gadomska
„Jooonas!“
Ich drehe mich um und bekomme prompt eine Schulter in mein Gesicht gerammt. Das
passiert mir fast immer, wenn sie von hinten auf mich zuläuft um mich übermütig
zu umarmen. „Was machst du denn hier?“, frage ich sie, während ich meine
schmerzende Wange halte. Sie mustert mich.
Nachdem ihr
Blick seinen Weg in mein Gesicht gefunden hat, lockert sich ihr, vorerst
angestrengter, Gesichtsausdruck. Sie fängt an zu lächeln. „Nun, du hast mich
offensichtlich vermisst!“, sagt sie arrogant. Ich hatte mit einer solchen
Offenheit nie ein Problem gehabt. Ich gucke ihr in die Augen.
Kindheitserinnerungen. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, wie wir
früher Klingelstreiche in der Nacht gemacht haben. Alle zusammen, damals...
Damals dachte ich auch, dass ich unseren nie Ort verlassen würde. Ich glaubte
fest daran, dass ich mit meinen Freunden in Verbindung bleiben würde, egal was
passiert. Jetzt steht sie vor mir. Nun, es fühlt sich etwas komisch an, gerade
sie hier anzutreffen. Meine anderen Freunde, die auch den Absprung geschafft
hatten, sind immer noch wie Brüder für mich. Training, Turniere, Vereinsfahrten
und Wochenendfeiern. Das alles verbinde ich mit ihnen und mit meiner Heimat. Mit
ihr ist es was anderes, etwas völlig anderes. Sie war eher wie eine Schwester.
Wie eine kleine, ungeschickte Schwester. Aber das hatte mir gefehlt. Das
Gegenstück zu den, etwas oberflächlich anmutenden, Männerfreundschaften. Etwas
Fehlbares eben... „Mh,mh, hast du noch nie ein gutaussehendes Mädchen gesehen
oder warum glotzt du so?“ Ich grinse und merke, dass ich zu Hause angekommen
bin.
von Tassia Weimann
Im letzten
Jahr sagte ich Teresa, dass die neue Stadt immer mehr mein Zuhause wird. Ein
Jahr später kann ich sagen, dass es Zuhause ist. Meine Kisten voller
Bastelsachen, mein Kleiderschrank, meine vier Wände. Oder besser gesagt unsere
vier Wände. Ich habe eingerichtet und du hast es abgenickt. Mittlerweile
schlafe ich hier besser, als in Peine. Das liegt einerseits an der Matratze und
anderseits an der Tatsache, dass ich mich daran gewöhnt habe, dass jemand neben
mir liegt.
Teresa
schüttelte damals den Kopf. Für sie sei ihr Zuhause immer noch 150km entfernt.
Da wo ihre Arbeit, ihre Freunde, ihr Freund sind. All das ist bei mir in ganz
Deutschland verteilt oder direkt bei mir.
Ich komme
immer wieder gerne zurück in die Heimat. Da, wo ich meine Kindheit und Jugend
verbracht habe. Wo meine Eltern und meine Familie sind. Wo ich jede Straße
kenne und mich nicht verlaufen würde. Aber ich komme zu Besuch. Ich lebe aus
dem Koffer und packe diesen nach einer gewissen Zeit wieder. Immer mit etwas
Schwermut und gleichzeitig mit Freude auf Zuhause. Auf dich.
Besonders an
Weihnachten freue ich mich auf die Rückkehr in die Heimat. Alle finden aus ganz
Deutschland ihren Weg in die Kleinstadt. Wir treffen uns in der Kirche, singen
gemeinsam, wie früher in der Kantorei und ziehen abends um die Häuser
unserer Kindheit. Mein Freund begrüßt mich am Crazy Daisy. Wie gut, dass wir
die Heimat teilen. Dann machen wir einen Sprung in die Jahre, in denen Peine
noch Zuhause war und wir von der großen Welt träumen. Jetzt genießen wir die
vertrauten Momente umso mehr. Und ich hänge mit meinem Herz in diesem Moment
nicht in der neuen Stadt, sondern genau da, wo du bist.
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