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Foto: Merle Stephan |
von Yasemin Rittgerott
Als er klein war, sagte seine Mutter: „Was du liebst, das musst du ganz fest halten, mein Junge.” Doch wie hält man etwas fest, das man nicht greifen kann?So lange er denken kann, war er fasziniert von Lichtern. Vom flackernden Kerzenschein und seinem Spiel mit dem Schatten an der Wand, vom gleißenden Sonnenlicht, das durch die geschlossenen Lider nur wilde Lichtpunkte wirft.
Er hatte alles versucht, das Licht festzuhalten; mit Farbe auf einer Leinwand, mit einer Fotokamera und in seinen Gedanken. Doch verglichen zur Realität wirkten diese Lichter blass. Alles andere als blass hingegen waren ihre Augen. Sie strahlten ihn an, als sie am Weg am Fluss aneinander vorbeiliefen. Am Abend lag er lange wach und dachte an diese Augen zurück, die auch in seiner Erinnerung noch so unglaublich hell leuchteten. Am nächsten Tag lief er wieder den Weg am Fluss entlang, wieder und wieder. Und am nächsten Tag, und am übernächsten. Erst nach einer Woche sollte er Glück haben. Zuerst wusste er gar nicht was er sagen sollte, doch dann entwickelte sich schnell ein Gespräch. Ihr Blick fühlte sich warm an auf seiner Haut – wie das Licht der Sonne. Am Ende des Tages nahm er ihre Hand. Er hielt sie fest. Er hielt ihre Hand fest, bis das Licht in ihren Augen erlosch.
von Elina Göhrmann
Um mich ist alles warm, kuschelig, gemütlich und dunkel. Mein Kopf wird langsam wach, aber mein Körper dreht sich noch einmal um. Meine Augen öffnen sich einen Spalt weit. In meinem Zimmer tanzen blasse Lichtpunkte umher. Ich schließe die Augen wieder, vergrabe mein Gesicht im Kissen und schlafe wieder ein.Beim nächsten Augenöffnen sind die Lichtpunkte stärker geworden. Sie fallen auf einzelne Worte von Buchtitel, auf mein Gesicht und hinterlassen Muster an der Wand. Noch verschlafen betrachte ich, wie sie stärker und schwächer leuchten. Der Tag versucht durch die kleinen Schlitze meiner Jalousie zu mir ins Zimmer zu finden. Die Sonnenstrahlen wecken mich nicht auf, aber sie holen mich aus meinem Dösen und es scheint, als flüsterten sie mir zu, dass es Zeit ist, den Tag zu beginnen.
Die Punkte sind leider zu klein, um zu wärmen, als ich meinen Fuß unter der Bettdecke hervor strecke. Es ist eisig kalt. Vorsichtig tapse ich hinüber zum Fenster und ziehe die erste Jalousie hoch. Das Zimmer erstrahlt unter dem Sonnenlicht und ich muss heftig blinzeln, bevor ich etwas sehen kann. Dann schaue ich hinaus, die Lichtpunkte wurden durch einen Lichtstrahl ersetzt und dieser erwärmt mein Gesicht. Der Tag hat mein Zimmer betreten.
von Katrin Dirscherl
Es ist Abend, die Sonne längst vergangen. Auch, wenn man sie den ganzen Tag sowieso nicht gesehen hat. Der Weg, den wir gehen, die Hausfassaden, dunkel. Die Silhouetten tanzen mit dem Schatten. Wir laufen Hand in Hand, sanft rieseln die Schneeflocken auf uns herab. Es ist zum ersten Mal wieder richtig Winter. Die Dunkelheit beruhigt mich, doch sie beginnt mich auch zu bedrängen. So lechze ich danach unser Ziel zu erreichen.Nur noch wenige Meter, es beginnt heller zu werden. Die ersten Lichter weisen den Weg. Die Stände sind belebt, die Bäume dekoriert. Und deine Augen fangen an zu leuchten.
Die Lichter sind es an diesen Tagen, die uns wach halten, die uns Motivation geben. Die leuchtenden Dekorationen, die uns in die Weihnachtszeit weisen. Über Märkte, Balkone, bis hin zum eigenen Haus. Lichter, durch die die trübste Jahreszeit am hellsten scheint.
von Lars Hybsz
Als ich heute morgen aufgestanden bin, war es draußen noch dunkel. Ich bin leise aus dem Bett gestiegen und auf den Flur geschlichen. Ich habe die Tür zum Kinderzimmer einen Spalt breit geöffnet und kurz hineingesehen. Natürlich habe ich das Licht nicht angemacht. Auf der Straße war kein einziges Auto unterwegs. Der Weg in die Klinik ist sehr eintönig, aber ich fahre an vielen Laternen vorbei, die mich immer wieder wach machen. Auf dem Schreibtisch in meinem Büro steht ein kleines Gesteck. Ich glaube das hat der Hausmeister gebracht. Eines Morgens stand es einfach da. Die ersten beiden Kerzen habe ich sogar mal angezündet. Die meisten Patienten sind traurig, wenn sie über Weihnachten nicht nach Hause können. Vor allem für die Kinder ist es schlimm. Manchmal frage ich mich, ob es nicht besser wäre, alle für drei Tage zu entlassen. Die Visite ist heute persönlicher als sonst. Ich nehme mir etwas mehr Zeit, frage hier und da nach der Familie und wünsche frohe Weihnachten. Später sitze ich wieder in meinem Büro. Ich schaue aus dem Fenster und sehe die vielen erleuchteten Häuser in der benachbarten Wohngegend. Ich nehme das Feuerzeug, das ganz hinten im Schrank bei den Notfall-Zigaretten liegt und zünde alle Kerzen am Adventsgesteck an. Morgen habe ich frei.![]() |
Foto: Lea Hoppenworth |
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