Mittwoch, 28. Mai 2014

Printausgabe Mai 2014 / Beziehung

von Tassia Weimann

In ihren Gedanken treibt sie mit dem Rücken auf dem offenen Wasser. Um sie herum nichts als Leere und Weite. Sie ist ruhig und fühlt sich selbst so seltsam ruhelos. Schutzlos treibt sie immer weiter auf den Ozean hinaus. Gedanken rasen an ihr vorbei, wie die Zugvögel am Himmel. Eigentlich fliegen sie alle direkt in ihr Herz und füllen es bis es so schwer wird wie ein Stein, der sie auf den Grund zieht.
Sie zieht ihre Beine an ihren Oberkörper, als das Schluchzen ihren Körper vibrieren lässt. Ihr Bettlacken fühlt sich verheult an. Es ist ihr egal. Alles in dieser Welt ist ihr sowas von egal. In ihren Gedanken dreht sich alles nur um diesen Moment. Dieser Moment, der ihr jetziges Leben einfach so beendet hat. So wirklich versteht sie das noch nicht. Was hat er gesagt? Er liebt sie nicht mehr. 5 Wörter, die so viel Tragweite haben. Er liebt sie nicht mehr. Immer und immer wieder wiederholt sie diese Worte, als würde es irgendwas glaubwürdiger machen. Wie kann er sie nicht mehr lieben, wenn sie doch voller Liebe für ihn steckt? Wenn sie sich ihr Leben mit ihm ausgemalt hat? Mit den zwei Kindern und dem Hund und dem Haus und wie er seine Autos zusammenschraubt, während sie am Fenster sitzt und ihm beim Stricken dabei zusieht. Wie kann er sie nicht mehr lieben, wenn er es doch vor ein paar Tagen noch bejaht hat. Wie können all die Jahre jetzt vorbei sein. Wie kam es dazu, dass jetzt alles an Wert verliert.
Und sie merkt, dass niemand ihr dafür eine Antwort geben kann. Er nicht, sie nicht, niemand anderes auf der Welt. Sie steckt ihren Kopf weiter in das Kissen und möchte einfach nur verschwinden. Menschen flüstern ihr zu, dass sich ein altes Kapitel schließen muss, damit sich was Neues öffnet. Es ist ihr egal. Es ist ihr sowas von egal.

von Elina Göhrmann

Ich konnte es kaum glauben, als der Kellner mich zum reservierten Tisch führte. Ein rothaariger Mann lächelte mir entgegen – nichts war von den braunen, gewellten Haaren zu sehen, die er auf seinem Profilfoto bei ElitePartner zur Schau gestellt hatte. Überhaupt sah seine ganze Erscheinung anders aus: markantes Kinn, tiefgrüne Augen und eine leichte Stupsnase. Als Ralf aufstand, überrollte mich gleich die nächste Überraschung – Aufgrund seiner Angabe, dass er 1,82 groß sei, hatte ich beherzt nach meinen höchsten Schuhen gegriffen, nur um jetzt festzustellen, dass ich ihn damit um ungefähr einen Kopf überragte. „Heißt er denn wenigstens Ralf?" schoss es mir durch den Kopf, reichte ihm aber dennoch lächelnd die Hand. Vielleicht war er ja einfach nur unsicher, was sein Äußeres anging und es würde dennoch ein wunderschöner Abend werden. „Freut mich dich endlich persönlich zu kennen, Miriam", begrüßte er mich und entblößte gerade, weiße Zähne. Ich nickte nur und starrte weiterhin auf seine Haare. Wenn er es bemerkte umging er es geschickt, indem er mich in ein Gespräch über unser gemeinsames Hobby, dem Gärtnern, verwickelte. Den ganzen Abend über unterhielten wir uns angeregt, das Essen verlief fantastisch, doch immerzu musste ich ihn mit dem Mann vergleichen, den ich eigentlich erwartet hatte. Wenn er schon bei seiner Haarfarbe log, spielte er mir dann auch nur vor, dass wir dieselben Interessen hatten? War sein Charakter wirklich der, von dem ich gedacht hatte, ihn wenigstens ansatzweise zu kennen? Wir verabschiedeten uns mit einem Wangenkuss vor dem Restaurant. Während ich zu meiner Wohnung zurückfuhr, ließ ich den Abend Revue passieren. Er war ein angenehmer Gesprächspartner gewesen und wir hatten uns von Anfang an gut verstanden. Eigentlich sah er auch gar nicht so schlecht aus. Dennoch störte mich der Gedanke an seine Schummelei. Was wäre wohl gewesen, wenn ich ihn einfach per Zufall auf der Straße getroffen hätte? War das vielleicht doch der bessere Weg? Am nächsten Morgen schwebte mein Mauszeiger über dem „Profil löschen“-Button, doch ich klickte dann doch auf Logout.
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