Mittwoch, 15. Juli 2015

Printseite Juli 2015 / Lerne selbständig zu...


von Tassia Weimann

Er saß in mitten von all diesen gläubigen Leuten. Und er bewunderte sie. Sie dort in der ersten Reihe. Mit geschlossenen Augen bewegte sie sich im Takt der Musik und streckte ihre Hände über den Kopf gen Himmel. Er blickte sich im Raum um und wurde erfüllt von der Wärme, die sie alle miteinander ausstrahlten. So etwas hatte er noch nie erlebt. All diese jungen Menschen, die an dasselbe glauben. Die so offen damit umgehen und so viel positive Energie ausstrahlen. Früher hatte er immer nur kleinlaut zugegeben, dass er das, was im Religionsunterricht gesagt wurde, wirklich glaubte. Dass er sich nicht nur konfirmiert ließ, weil es alle machten oder es so viel Geld gab. Irgendwie wollte er sich zu Gott bekennen. Und nun lernte er all diese Menschen kennen. Und er beschloss auch so zu werden. So positiv. So voller Glauben.
Doch so schnell die Begeisterung kam, so schnell kamen auch die ersten Zweifel. Irgendwie war er eben doch nicht so wie sie. Er, der nur ganz nebenbei mit dem Glauben aufgewachsen war. Und sie, die die Bibel über alles stellten. Immer öfter musste er sich für seine Ansichten und Meinungen rechtfertigen. „Und wie kannst du das belegen? Steht es denn in der Bibel?“ Und er konnte nur unwissend mit den Schultern zucken. „Ich weiß nicht, ob es in der Bibel steht…“. Die Rechtfertigungen führten dazu, dass er immer mehr an sich zweifelte. An seiner Art zu glauben. War er überhaupt Christ, wenn er es nicht mit der Bibel belegen konnte? Müsste er nicht die Bibel längst gelesen haben? Aber wenn er nicht Christ war, was war er dann?
Er kehrte der Gruppe den Rücken und dachte über sich und seinen Glauben nach. Er konnte sich einfach nicht vorstellen nicht mehr an Jesus und Gott zu glauben. Also war er Christ. Und wie er zu glauben hatte, dass konnte doch niemand sagen? Wer wusste denn schon genau, was zu tun sei. Und hatte nicht schon Jesus die Menschen, die andere verurteilten in die Schranken gewiesen? Und als er ganz allein in seiner ehemaligen Kirche saß, schwor er sich, zu lernen selbstständig zu glauben.

von Elina Göhrmann

Du gehst, nein watschelst eher, auf deinen kleinen Beinen durch den Raum und strahlst übers ganze Gesicht. Noch sind deine Finger fest um den Zeigefinger deines Daddys geschlossen, der dich immer ein wenig hochzieht, wenn du einen Schritt doch einmal zu schnell oder zu groß angesetzt hast. Ich muss lachen, als du ein wenig zu überzeugt von deinen Fähigkeiten bist oder vielleicht auch wegen deiner Neugierde den Griff deiner rechten Hand löst und sogleich auf deinen Knien landest. Doch du weinst nicht. Kurz schaust du ein wenig erschrocken, bevor du wieder zum Bücherregal krabbelst und dich daran hochziehst. Man sieht deinen Eltern an, wie stolz sie auf dich sind.
Bald wirst du anfangen ohne helfende Hände deinen ersten und zweiten Schritt vom Bücherregal weg zu machen und dann irgendwann werden es mehr als zwei. Dann müssen auch die Sachen, die ein wenig weiter oben im Regal stehen, vor deinen neugierigen Händen in Sicherheit gebracht werden. Aber noch streckst du eine Hand wie selbstverständlich in die Richtung eines Erwachsenen, wenn du laufen willst. Und alle genießen diese Augenblicke, solange es sie noch gibt.

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