von Elina Göhrmann
Morgen
müsste sie den Aufsatz als Hausaufgabe abgeben – ihr graute es schon davor, ihn
benotet zurückzubekommen. Schließlich hatte er kein Ende und wenn es so
weiterging wie bisher, dann würde da auch keins mehr hinkommen. Müde las sie
noch einmal die Aufgabenstellung durch: „Schreibe einen Aufsatz, indem du
entlang eines roten Fadens erklärst, warum dein Lieblingsbuch dein
Lieblingsbuch ist. Vergesse nicht kritisch an das Werk heranzugehen.“
Die Gründe,
warum gerade „Der kleine Prinz“ ihr Lieblingsbuch war, standen schon ordentlich
aufgeschrieben auf einer knappen Seite, doch an die Kritik kam sie einfach
nicht heran. Es war, als würde ein unsichtbarer Spiegel sie jedes Mal wieder an
den Anfang reflektieren. An einen Anfang, wo grob gesagt einfach stand, dass
das Buch fantastisch war und damit eigentlich alles aussagte. „Es gibt immer
Kritik“ hörte sie die Stimme ihrer Lehrerin Frau Schmidt in ihrem Kopf.
Missmutig starrte sie auf ihren Aufsatz. Konnten sich die Worte nicht von selbst
schreiben?
Das Buch war
eine ihrer Leidenschaften: Sie konnte stundenlang darüber reden, darüber
nachdenken, es tausendfach lesen und als Hörbuch hören. Und es wurde ihr
einfach nie langweilig. „Was ist schlecht an diesem Buch?“ hörte sie ihr
eigenes Gemurmel. Und eh' sie sich versah, war sie schon wieder am Anfang
angekommen, indem in ihrem Kopf nur noch die Frage, was schlecht an einer
Leidenschaft sei, herumgeisterte. Dazu fiel ihr ein Zitat ein, welches sie
kurzerhand in einen Kritikpunkt verfasste. Das einzige Ende, was sie hierzu
hinbekommen würde. „Oscar Wilde meinte einmal: „Leidenschaft verleitet dazu, im
Kreis zu denken“ und deswegen gibt es meiner Meinung nach nichts, was ich
kritisch an diesem Werk beurteilen könnte. Es ist meine Leidenschaft und der
Kreis beginnt und endet immer wieder damit, dass es einfach toll ist.“ Mal
sehen, was Frau Schmidt morgen dazu sagen würde – vielleicht gab es ja
Extrapunkte für Kreativität?
von Yasemin Rittgerott
Wenn an
besonders schönen Sommertagen, die Sonne gnadenlos vom Himmel knallt und dabei
auf die Meeresoberfläche trifft, dann entsteht da dieses wundervolle Glitzern.
An dieses Glitzern muss ich denken, wenn ich in deine Augen schaue. Doch deine
Augen brauchen kein direktes Sonnenlicht, es ist mehr der Gedanke an Sonne,
Mond und Sterne und Planeten und Asteroiden und was es sonst noch in unserem
Universum zu finden gibt, dass dieses Strahlen bei dir hervorruft.
Mit 7 Jahren
bekamst du von deinem Großvater dein erstes kleines Teleskop geschenkt, nachdem
du nach einem Ausflug ins Planetarium gar nicht mehr aufhören konntest, von den
Sternbildern zu erzählen, die du dort kennengelernt hattest. Stundenlang
heftetest du daraufhin deine Augen an den Nachthimmel.
Heute Nacht
schauen wir nur auf meinen Computer Bildschirm, auf dem du mir Bilder vom
Nachthimmel und Videos von Raketenstarts zeigst. Ich bin mit meinen Gedanken
zwar auch oft nicht wirklich hier auf der Erde, aber für Astronomie habe ich
mich noch nie interessiert. Auch jetzt ist es nicht wirklich Begeisterung, die
ich spüre. Es ist ein Kribbeln auf der Haut, als sei deine Leidenschaft für
ferne Galaxien von deiner so dicht neben meiner liegenden Hand übergesprungen.
Je mehr du mir zeigst und dazu erzählst, desto mehr wenden sich meine Augen vom
Bildschirm ab und hängen an deinen Lippen. An deinen Mundwinkeln, die sich so
freudig verziehen, wenn du ein weiteres Bild anklickst. Es ist so
offensichtlich wie sehr du brennst, für dieses Thema. Wie dich die Sehnsucht
antreibt. Ich wünschte, ich würde dieses Prickeln, welches anscheinend ständig
in dir ist, und ich an diesem Abend auch erfahren durfte, auch schon so gezielt
für etwas fühlen.
von Tassia Weimann
Ich habe das
Gefühl ich verliere sie. Die Leidenschaft, das Feuer, das einen antreibt und
einen nach immer mehr streben lässt. Was mich den anstrengenden Weg über die
Treppen steigen lässt. Stattdessen sitze ich da und warte im kühlen Grass
darauf, dass irgendetwas passiert. Dass ich Lust habe wundervolle Poetry Texte
zu schreiben oder mit dem Zeichnen anzufangen. Oder mit dem Joggen. Oder mich
meinen Do-it-yourself Projekten zu widmen, die schon lange feinsäuberlich auf
der To-Do-Liste stehen. Und da bleiben sie, wie ich im Grünen sitzen und
versauern. Ich weiß nicht, wo ich auf der Strecke zwischen stundenlang im
Garten Pferd spielen oder Malen stecken geblieben bin in der
Leidenschaftslosigkeit. Denn früher war es oft einfacher sich auf eine Sache
einzulassen. Völlig darin aufzugehen. Und jetzt sitze ich da und weiß nicht
wirklich, was meine Leidenschaft ist. Vielleicht das Singen, was ich aber seit
dem Abitur auch nicht mehr betreibe. Oder das Schreiben, welches ich nicht mehr
auf großes Bühnen vortragen möchte. Es fehlt mir der Antrieb.
Und dann
stehe ich plötzlich in diesem Laden. Vollgestopft mit Liebe. Mit winzigen
selbstgemachte Sache, die alle mit Herz entstanden sind. Von Hängeschränken bis
kleinen Stempeln. Von Taschen bis Basteltüten. Und ich merke, wie mein Feuer
entfacht wird. Das will ich auch. Etwas mit den eigenen Händen erschaffen und
stolz darauf sein. Auch wenn es nur ein Briefumschlag ist. Und ich gehe nach
Hause und fange endlich an. Nehme die Treppe mit gleich zwei Stufen auf einmal.
Habe plötzlich wieder Lust kreativ zu sein. Zu basteln, zu schreiben und zu
singen.
Es brauchte nur ein wenig Leidenschaft von anderen, um mich
zu begeistern und gefangen zu nehmen. Meine Leidenschaft hat mich zurück.
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